Die Räumung von Flüchtlingscamps in Paris

Kein Platz für Geflüchtete

In Paris wurden Flüchtlingscamps geräumt. Frankreich verweigert die Aufnahme weiterer Geflüchteter und Migranten.

Am Wochenende war nur ein leerer Platz übrig, auf dem man noch die Umrisse von Matratzen sehen konnte, die wochenlang dort gelegen hatten. Am Donnerstag voriger Woche war eines der beiden Camps von Migranten und Geflüchteten im Pariser Stadtgebiet, jenes nördlich der Hochbahn im Stadtteil La Chapelle, polizeilich geräumt worden. Es war mindestens die fünfte derartige Räumung innerhalb gut eines Monats für die über 100 meist aus nordostafrikanischen Staaten Geflüchteten. Sie fordern eine geeignete Unterbringung, zumindest für die Dauer des Asylverfahrens, Bewegungsfreiheit und Aufenthaltstitel. Politisch unterstützt werden sie größtenteils von Linken; Menschenrechtsgruppen, antirassistische Initiativen und NGOs boten vor allem materielle Hilfe.

Dieses Mal erfolgte die Räumung relativ einvernehmlich, weil den unter freiem Himmel Campierenden unbefristete Unterbringungsmöglichkeiten angeboten worden waren. Die Polizei blieb – anders als Mitte Juni, als sie Gummiknüppel einsetzte – eher im Hintergrund. Sozialarbeiter, Mitarbeiterinnen der Pariser Stadtverwaltung, einiger NGOs und Sozialinitiativen wie der christlichen Hilfsorganisation Emmaus übernahmen die restliche Arbeit. In ihren Unterkünften haben die Betroffenen nun einen Monat Zeit, um einen Asylantrag zu stellen.
Am Sonntag waren jedoch 50 Menschen auf das Gelände zurückgekehrt, auf dem sie campiert hatten, auch Unterstützerinnen und Unterstützer fanden sich erneut dort ein. Das den Migranten und Geflüchteten gemachte Angebot hatte sich nämlich als unzureichend herausgestellt. Die Unterkünfte waren nur befristet, ungeeignet oder die Geflüchteten hatten sich dort mit anderen Obdachlosen um einen Platz streiten müssen.
Der Pariser Stadtregierung war es vor allem darum gegangen, keinen »Schandfleck« mehr an sichtbarer Stelle zu dulden. Am 1. Juni hatte sie zunächst das Vorgängercamp direkt unter der Hochbahn im Pariser Norden räumen lassen, in dem rund 300 Personen gelebt hatten, darunter Sudanesen, Eritreer, Äthiopier. Das vergleichsweise große Zeltlager hatte sich über Monate hinweg gebildet und war vom Pariser Nordbahnhof aus gut sichtbar.
Ein Teil der Campierenden waren Geflüchtete, die im Asylverfahren steckten, denen jedoch beschieden worden war, im Heimsystem sei für Asylsuchende kein Platz. Sie waren nicht über ihre Rechte aufgeklärt worden, anderen wurde nicht mitgeteilt, wo und wie sie einen Asylantrag stellen können. Einige hätten nach dem Dublin-Abkommen Asyl in jenem EU-Staat beantragen müssen, über den sie zuerst in die EU eingereist sind. Etwa in Ungarn, einem Land, über das sich viele Geflüchtete wegen rassistischer Behandlung und fehlender Unterbringung beklagen und wohin sie auf keinen Fall zurück möchten.
Ähnlich den Jungles genannten Camps rund um die Hafenstadt Calais, von wo aus Migranten versuchen, nach Großbritannien zu gelangen, hatte sich mitten in der französischen Hauptstadt ein Jungle gebildet. Dazu kam ein zweites Camp am Austerlitz-Bahnhof nahe der Seine, das zwar noch steht, aber wesentlich weniger Solidarität aus der Umgebung erfährt als jenes in La Chapelle im ärmeren und migrantisch geprägten Pariser Norden.

Kritisiert wird die französische Flüchtlingspolitik auch wegen der Weigerung, Migranten und Geflüchtete aus Italien nach Frankreich einreisen zu lassen. Hunderte werden seit Anfang Juni an der französisch-italienischen Grenze zwischen Nizza und Ventimiglia aufgehalten, Zugtickets werden ihnen abgenommen. In Italien zeigt man sich darüber erzürnt. »Wenn Frankreich redet wie Madame Le Pen«, titelte die Turiner Tageszeitung La Stampa. »Die egoistischen Staaten machen kein Europa« steht auf Plakaten, die die sozialdemokratische italienische Regierungspartei PD kleben lässt. Und Senatspräsident Pietro Grasso klagt: »Der Traum einer solidarischen Europäischen Union, der in den zwanziger Jahren geboren wurde, droht auf den Felsen von Ventimiglia zu sterben.«