Die spanische Linke und die Lage in Griechenland

Konservativ gegen die Konfrontation

Die Verhandlungen der Kreditgeber mit Griechenland werden in Spanien aufmerksam verfolgt. Die linke Oppositionspartei Podemos begrüßt die Politik Syrizas. Spaniens Konservative warnen angesichts bevorstehender Wahlen vor einem linken Regierungschaos.

»Gerade jetzt, nachdem wir gesehen haben, wie sie überraschend ein Referendum veranstaltet haben, müssen sie erst einmal wieder Vertrauen schaffen«, kritisierte Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy die griechische Regierung nach dem Treffen der EU-Regierungschefs vom Sonntag in einem Interview mit der Zeitung ABC. Diese galt bereits unter dem Diktator Francisco Franco als Blatt der spanischen Rechten. Rajoy von der konservativen Volkspartei (PP) tritt gerne bedächtig auf und gibt den Staatsmann, der über den Kontroversen der Parteien steht. Dabei ist er ein beinharter Austeritätspolitiker.
»Anfang des Jahres wurde für Griechenland noch ein Wachstum von 2,9 Prozent prognostiziert«, so Rajoy. Jetzt gebe es »einen Rückgang zwischen zwei und vier Prozent«. Die Behauptung, vor dem Wahlsieg Syrizas im Januar sei ein Wirtschaftswachstum zu erwarten gewesen und jetzt gehe es unter ihrer Regierung mit Griechenland bergab, ist typisch für Rajoys kreativen Umgang mit Wirtschaftsdaten: Was nützt, wird genannt, was nicht nützt, nicht. Kein Wort verliert Rajoy etwa über die milliardenschwere Rettung der spanischen Großbanken bis 2013 durch die Europäische Zentralbank und den EU-Bankenrettungsschirm. Spanien habe Griechenland 26 Milliarden Euro geliehen, wird Rajoy dagegen nicht müde zu betonen. »Es ist gut, dass Griechenland in der Euro-Zone bleibt«, sagte Rajoy, »aber wenn jemand Mitglied im Club ist, muss er sich an die Regeln und Vorschriften halten.«

Um nach den großen Verlusten bei den Kommunal- und Regionalwahlen im März und im Mai dieses Jahres wieder an Popularität zu gewinnen, veranstaltete der PP am vergangenen Wochenende eine Konferenz unter dem apodiktischen Motto: »Die Zukunft Spaniens ist die Europäische Union.« Da die austeritätskritische neue Partei Podemos (»Wir können«) von Pablo Iglesias auf Anhieb zur drittstärksten Kraft wurde, hat der PP viele Regional- und Stadtregierungen verloren. In den beiden wichtigsten Städten des Landes regieren nun linke Bürgermeisterinnen, Ada Colau in Barcelona und Manuela Carmena in Madrid. Mit ihren basisdemokratischen Bürgerlisten, unterstützt von sozialen Bewegungen, hatten sie die Kandidatin der Konservativen in Madrid beziehungsweise die der christdemokratischen Separatisten in Barcelona geschlagen. Derzeit sieht alles danach aus, dass die spanische PP-Regierung Ende des Jahres abgewählt wird. Deswegen führt die Partei nun eine Kampagne, in der sie Angst vor wirtschaftlichem Chaos schürt.
Podemos hatte die Politik von Alexis Tsipras gelobt und Solidaritätsdemonstrationen für die griechische Regierung organisiert. Die linke Partei wird von den spanischen Konservativen nun als »Syriza-Podemos« bezeichnet, um sie mit dem Schlingerkurs von Syriza nach dem Referendum in Verbindung zu bringen. Auf seinem Parteikongress legte der PP noch einmal nach und stellte die EU-Politik und die Kritik an Syriza – und damit auch an Podemos – in den Mittelpunkt. Esteban González Pons, der Sprecher des PP im EU-Parlament, zog in seiner Rede eine direkte Linie von der Behauptung, Syriza destabilisiere Griechenland, zur Politik von Podemos und der sozialdemokratischen Partei (PSOE). Es gebe zwei Projekte in Europa, das der »moderaten Parteien« und »das alternative, das der Konfrontation: von Syriza, Podemos und einem Teil des PSOE«. González warnte, das Europa letzterer sei jenes, das »wir im Osten kennen, es ist kein machbares Europa«. Trotz der Zugeständnisse der griechischen Regierung an die Forderungen der Troika gilt Syriza im Diskurs des PP weiterhin als Störenfried.

Am Samstag warnte Rajoy in einer einstündigen Rede davor, dass Podemos mit Hilfe des PSOE das griechische Drama nach Spanien holen wolle. Er habe in der Wahlkampagne im Januar in Athen mit eigenen Augen gesehen, dass Griechenland auf dem Weg des Wachstums gewesen sei, des Rückzahlens der Schulden und der Schaffung von Arbeitsplätzen. Jetzt gebe es nichts mehr davon und die Auszahlungen der Banken seien begrenzt, woran Syriza schuld sei. Podemos sei ein Klon von Syriza und wolle das gleiche wirtschaftliche Chaos produzieren. Eine Schicksalswahl stehe bevor: Fortschritt oder zurück in die Krise.
Nachdem der PP Ende 2011 die Regierung vom abgewählten PSOE übernommen hatte, stieg das Haushaltsdefizit im nächsten Jahr auf 10,6 Prozent des BIP und war damit höher als das Griechenlands. Auch liegt trotz der nahezu täglichen Beschwörung eines wirtschaftlichen Aufschwungs die Arbeitslosenquote in Spanien bei 23 Prozent und die der bis 25jährigen bei über 50 Prozent, ähnlich hoch wie in Griechenland.

Der spanische Wirtschaftsminister, Luis de Guindos, hat bei den Verhandlungen über das zweite Rettungspaket sogar den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble an Härte übertroffen. De Guindos, der Vorsitzender der Euro-Gruppe werden möchte, hat in Rajoys Kabinett seit 2011 nicht nur den Abbau von Arbeitnehmerrechten und die Privatisierung von Gesundheits- und Bildungseinrichtungen unterstützt. Er ist auch ein Garant für eine äußerst bankenfreundliche Wirtschaftspolitik. Von 2006 bis zu deren Insolvenz war er leitender Manager der Bank Lehman Brothers für Spanien und Portugal. Als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium hatte er 2003 abgestritten, dass es zum Platzen einer Blase am Immobilienmarkt kommen könne. Ein ausgewiesener Fachmann also, der ebenso wie Rajoy die Vertrauenswürdigkeit der eigenen Regierung im Gegensatz zu der Syrizas und der künftig möglichen linken spanischer Parteien betont.