Vögel im Radio

Seit einiger Zeit gibt es ja Radio Rewe, also den Versuch, die bisher mehr oder minder zufalls- und playlistgesteuerte Berieselung des Supermarktkunden zu strukturieren. Nachrichten-, Musik- und Einkaufsblödsinn erhalten gleichrangiges Gewicht, der Kunde soll nicht mehr nur als behavioristisch grunzende Konsummaschine gelten, sondern als informierte, aufgeklärt grunzende Konsummaschine. Medienpolitisch ein sehr interessantes Signal, heißt es sonst doch, Radio und Fernsehen hätten als öffentliches Programm ausgedient. Mitten in Zeiten von Youtube kommt die Einzelhandelsbranche daher – und setzt den Leuten ein einheitlichtes Radioprogramm vor. Das Paradoxon: Während der Kunde bei einem einzigen Supermarktbesuch zahllose Konsumentscheidungen trifft, wird ihm das Radioprogramm autoritär draufgeballert, dass es nur so kracht. Soll auf diesem Wege dem Kunden indirekt mitgeteilt werden, dass in der vollends verwalteten Welt die Freiheit der Wahl immer nur eine scheinbare ist? Die Renitenz und Aufdringlichkeit des Programms lassen diesen Schluss zu. Andererseits gibt es in meiner Rewe-Filiale neuerdings wieder irgend so eine seltsame Charity-Scheiße, etwas mit der Rettung der Wälder oder so, und deshalb klingen statt des entmenschten Radiogequatsches plötzlich tirilierende Vöglein und sanfte Waldgeräusche durch die neonlichtdurchfluteten Auen des Markts. Und hier scheinen die Neuro-Marketingmanager schon viel näher dran an der conditio humana: Wo der Mensch der Urgesellschaft in Wald und Wiesen shoppte, sich Beeren und Wurzeln in den Korb lud, tu ich das jetzt mit Persil und superrassistischem Uncle Ben’s, und fühle mich dabei wieder so frei und vollständig wie der Höhlenmensch, weil es keine bessere Werbung gibt als Vogelgezwitscher.