Der Unerwünschte

Geh gefälligst dahin zurück, wo du dich mal aufgehalten hast: Das ist es, was die marokkanischen Behörden offiziell von dem missliebigen Journalisten Ali Lmrabet fordern und wodurch sie ihn zum Ausweis- und Dokumentenlosen im eigenen Land machen. Am 24. Juni begann Lmrabet deswegen einen Hungerstreik in einem Zelt vor dem UN-Sitz in Genf, den er damit begründet, dieser symbolische Gang vor die Vereinten Nationen sei der letzte Ausweg, der ihm noch bleibe. Am Montag wurde vermeldet, er sei wegen der Folgen seines Hungerstreiks ins Krankenhaus eingeliefert worden. Mittlerweile wurde dies jedoch dementiert: Lmrabet erhielt eine ambulante ärztliche Behandlung, entschied sich jedoch dafür, seinen Hungerstreik fortzusetzen.
Seit April weigern sich die Behörden und das Innenministerium in Rabat, ihm eine Meldebestätigung auszustellen, die er benötigt, um seine – mittlerweile abgelaufenen – Ausweispapiere erneuern zu lassen. Oder um eine Zeitung neu anzumelden. Die offizielle Begründung lautet, bis Herbst 2011 sei Lmrabet ja in Barcelona angemeldet gewesen.
Der 56jährige wurde in Tétouan, einer Stadt im äußersten Norden Marokkos, geboren und konnte eine marokkanisch-jüdische Schule besuchen. Als Journalist hatte er einen Sinn für Tabubrüche. Er interviewte in den späten neunziger Jahren einen früheren Staatsfeind Nummer eins, Abraham Serfaty – der Marxist-Leninist war vor Jahrzehnten von der marokkanischen Monarchie unter Hassan II., dem Vorgänger des derzeitigen Königs Mohammed VI., ausgebürgert und kurzerhand zum Brasilianer erklärt worden. Im Sommer 2000 setzte Lmrabet als erster Journalist mit einem brüchigen Boot wie »illegale« Migranten über die Meerenge von Gibraltar. 2003 wurde er wegen Majestätsbeleidigung zu drei Jahren Haft verurteilt. Kaum begnadigt, schrieb er 2005 eine Reportage über ein Lager für Flüchtlinge aus der Westsahara im algerischen Tindouf. Neben der Staatsreligion ist die seit 1975 andauernde marokkanische Besetzung der Westsahara eines der größten Tabus in Marokko.
Lmrabets zehnjähriges Berufsverbot lief am 11. April aus. Seit Ende April kämpft er um eine Meldebestätigung an der Adresse seines Elternhauses in Tétouan. Diese soll er nicht bekommen, um nur ja nicht wieder beruflich tätig werden zu können.