Der ganz normale Rassismus

Sachsen, ganz normal

In den deutschen Dörfern wütet der Mob besorgter Bürger, die man heute unter ­anderem »Asylkritiker« nennt. In Freital, wo der ganz normale Rassissmus seine hässlichste Fratze zeigt, nennt man ihn inzwischen wenigstens beim Namen.

Gelegen zwischen grün bewachsenen Hügeln unweit von Dresden reihen sich die sanierten Altbauten an Plattenbauten und Reihenhaussiedlungen mit Deutschlandfahnen im Garten. Kulturdenkmäler, ein Schloss auf einem Hügel und ein kleiner Fluss komplettieren das Bild des sächsischen Hinterlandes. Freital könnte eine perfekte kleinbürgerliche Idylle sein. Doch wo diese Bürgerlichkeit herrscht, ist der Rassismus nicht weit. Zuletzt ging der Rassistenmob am vergangenen Freitag auf die Straße. Die sogenannte »Bürgerinitiative Widerstand Freital« hatte am Wochenende drei Konzerte und ein »Bürgerfest« angemeldet. Geladen war unter anderem das rechte Rapperduo A3stus, das im vergangenen Jahr bei rassistischen Kundgebungen in Berlin Hellersdorf und bei Hogesa Hetzkonzerte spielten. Das Frei­taler Stadtfest sollte vor dem ehemaligen Leonardo-Hotel stattfinden, das seit März als Unterkunft für Asylsuchende und seit kurzem auch als Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete genutzt wird. Über 30 rassistische Kundgebungen hat es seitdem in Freital gegeben. Bei einer unangemeldeten Versammlung vor dem Heim im Juni fanden sich schnell einige hundert Antifaschisten und Antifaschistinnen zusammen, um den Geflüchteten den Schutz zu bieten, den Polizei und Sicherheitsdienst nicht gewährten. So notwendig dieser Schutz ist, so befeuernd wirkt er in Freital. Die Folge waren ein versuchter Angriff von Neonazis auf abreisende Unterstützerinnen und Unterstützern, zerstochene Autoreifen und eine Verfolgung auf der Autobahn mit anschließendem Angriff auf einer Raststätte. In der bürgerlichen Idylle Freitals möchte man unbehelligt rassistische Parolen brüllen. So auch am Wochenende. Die »Willkommensinitiative Freital« hatte für diesen Tag ebenfalls eine Kundgebung unmittelbar vor der Unterkunft angemeldet – um den Schutz der Geflüchteten vor rechten Angriffen zu gewährleisten und die rassistische Stimmung nicht unbeantwortet zu lassen. Auch in Dresden, Leipzig und Berlin wurde mobilisiert, eine antifaschistische Demonstration wurde angemeldet. Kurz nach Bekanntgabe der Anmeldung hatte es einen Brandanschlag auf das Auto des Linkspartei-Politikers Michael Richter gegeben, der sich in der Willkommensinitiative engagiert. Für die sächsischen Behörden war das Grund genug, kurzerhand alle Versammlungen in unmittelbarer Nähe der Unterkunft zu verbieten. Für die Initiative »Pegida-Watch« war das eine Kapitulation: »Die sächsischen Sicherheitsbehörden haben in ihrem Umgang mit der Versammlungsfreiheit am Freitag ihren moralischen Bankrott gegenüber dem rechten Terror in Sachsen erklärt.« Ein grundlegendes Problem ist, dass die Brandgefahr, die von der rassistischen Hetze im wahrsten Sinne des Wortes ausgeht, ignoriert oder ­geleugnet wird. So gibt es in der sächsischen CDU eine Tradition der Ignoranz sowohl gegenüber rassistischer Hetze als auch den daraus resultierenden rechten Gewalttaten. Angefangen bei dem Freitaler Oberbürgermeister Uwe Rumberg, der, wie der Tagesspiegel berichtete, Asylsuchende als »Glücksritter, die nach Deutschland kommen, um auf Kosten der Gemeinschaft ein sorgloses Leben ohne Gegenleistung zu führen«, bezeichnet und Sanktionen gegen »pöbelnde und gewalttätige Asylbewerber« und »Grenzen der Willkommenskultur« fordert, über Ministerpräsident Stanislaw Tillich, für den »der Islam nicht zu Sachsen« gehört und der die Verantwortlichkeit für die NSU-Morde außerhalb des Freistaates verortete, bis hin zu Innenminister Markus Ulbig, der das Gespräch mit Pegida suchte, daraufhin eine spezielle Polizeieinheit für »straffällige Asylbewerber« schuf und beteuert, es sei falsch, »alle in die rechte Ecke zu stellen«. Damit hat er sogar Recht. Doch genau da liegt das Problem. Die meisten sind wohl das, was im allgemeinen Jargon als »besorgte Bürger«, »Ausländerfeinde« oder mit dem schrecklichen Euphemismus »Asylkritiker« bezeichnet wird. Der Publizist Michel Friedman schrieb am vergangenen Montag in der B.Z., in Freital sei alles ruhig gewesen, bis die Asylbewerber kamen. Damit trifft er den Punkt. Doch genau da liegt auch der Trugschluss, und das gilt nicht nur für Freital, sondern auch für Sachsen und ganz Deutschland. Denn was alle Menschen eint, die sich gegen Asylsuchende oder Geflüchtete äußern, sind nicht etwa Sorge oder Unwissen, sondern es ist der Rassismus. Dieser wird erst dann benannt, wenn er seine hässlichste Fratze zeigt. Doch er ist strukturell in der Gesellschaft verankert, wird von der CDU-Regierung genährt und nur selten reflektiert. »Bei der aktuellen Anschlagswelle geht es nicht um eine Auseinandersetzung zwischen ›Asylkritikern‹ und ›Asylbefürwortern‹, wie die Polizei und Teile der Medien in ihrer Berichterstattung verbreiten«, kritisiert Toni Grün, der Pressesprecher der Leipziger Initiative »Refugees Welcome«. »Wir sind Antirassisten und Antifaschistinnen, die allerorts und fast täglich für das Recht auf Asyl und Bewegungsfreiheit kämpfen. Unsere Gegner sind Rassistinnen und Neonazis, die Menschen, die vor Krieg, politischer Verfolgung, Hunger und Armut geflüchtet sind, mit platter Hetze, Gewalt und alltäglichem Terror verfolgen. Diejenigen, die vorgeben, einen Glaubenskrieg verhindern zu wollen, führen ­einen Krieg gegen Menschlichkeit und Vernunft. Ihr Ziel bleibt die altbekannte Volksgemeinschaft, die sie mit Terror zu erreichen versuchen. Würden die Polizei und die Politik in Sachsen ­ihren Job machen, könnten wir uns vieles ersparen.« Das Problem ist bekannt, der Nährboden dafür besteht ungebrochen fort. Weder wurden die rassistischen Übergriffe der neunziger Jahre in Sachsen aufgearbeitet, noch wird die Aufklärung der NSU-Morde forciert. Stattdessen werden Anschläge auf Asylunterkünfte als Einzelfälle abgetan und Protesten gegen Pegida, Legida und Frigida (Freital) wird mit Polizeieinsätzen begegnet. Bei der Demonstration in Freital sahen die Beamten »keinen Grund für Festnahmen«, obwohl ein Neonazi mit einer abgebrochenen Glasflasche auf die antifaschistischen Demonstration losging. Lediglich bei zwei Personen, die am Rande den Hitlergruß zeigten, wurden die Personalien festgestellt. Der Tag zeigte damit deutlich, dass Rassisten in diesem Ort leichtes Spiel haben. Wie Schaulustige standen Einwohnerinnen und Einwohner am Straßenrand und bezeichneten die Antirassisten und Antirassistinnen als »asoziales Pack« oder »Scheißjuden«. Die Straßen der idyllischen Kleinstadt sind gesäumt von rechten Szenetreffpunkten wie der »Timba Bar« und der »Keller Bar«. Auch der Besitzer des Tattoostudio »Schlachthaus« im Ortskern präsentiert sich auf Facebook als Freund rechter Parolen. Da überrascht es kaum, dass sich auch das Hotel Leonardo in die rassistischen Strukturen einfügt. Gelegen auf einem Hügel inmitten einer Plattenbausiedlung nebst Garagen, ist hier zwar von Idylle wenig zu sehen, vom bürgerlichen Rassismus jedoch umso mehr. Den Recherchen von »Pegida-Watch« zufolge nehmen Feinde der Asylunterkunft, darunter ein Mitbegründer der Bürgerinitiative »Freital wehrt sich. Nein zum Hotelheim«, dort nun organisatorische Aufgaben wahr. Als Tarnung sei eine neue Organisation mit dem Namen »GFE – gemeinsam füreinander« gegründet worden. Wie dieses Füreinander aussieht, wird in den Flyers der Organisation wie folgt formuliert: »Eltern bangen um ihre Kinder, Frauen trauen sich nicht mehr auf die Straße und Männer denken über Bewaffnung nach«, heißt es da, und: »Wir beschützen eure Kinder und begleiten eure Frauen (...) Wir geben euch das Gefühl der Freiheit uns Sicherheit zurück.« Was sich am Wochenende in Freital offenbarte und seit Monaten Alltag ist, ist gleichsam nur eine Zuspitzung des Normalzustandes in Sachsen. Fast täglich kam es in den vergangenen Wochen zu Anschlägen auf Unterkünfte von Asylsuchenden oder zu rassistischen Übergriffen. Auch im Internet floriert die Hetze. Bislang gab es kaum Reaktionen der sächsischen Politik dazu. Innenminister Ulbig weilte bis vor kurzem im Sommerurlaub.