Die Jugend der Linkspartei streitet über Israel-Solidarität

Antideutsche, Kettenhunde und Panzer unerwünscht

Der niedersächsische Landesarbeitskreis Shalom soll aus dem Jugendverband der Linkspartei ausgeschlossen werden. So verkündet es zumindest der Landessprecherinnenrat und erhält Zuspruch aus der Ecke der Friedensmahnwachen.

Am Anfang war der Panzer. Auf einem Sticker des Landesarbeitskreises (LAK) Shalom der niedersächsischen »Linksjugend Solid« prangen die Parolen »Antifa muss praktisch werden« und »Solidarität mit Israel« über dem Foto eines Merkava-Kampfpanzers der israelischen Armee. Der erstmals im Oktober 2014 verbreitete Sticker wurde nun zum Anlass für einen neuen Schlagabtausch zwischen den Anhängern des Bundesarbeitskreises (BAK) Shalom und ihren Widersachern im Jugendverband. Der vom Landesarbeitskreis »Antimilitarismus und Frieden« (LAK AuF) eingereichte Antrag »Gegen die Verherrlichung von Kriegsgerät!«, der sich gegen den Sticker wendet und den LAK Shalom auffordert, das Motiv aus seinem Online-Auftritt zu entfernen, wurde von der Landesmitgliederversammlung, die am 25. und 26. Juli in Göttingen tagte, angenommen. In der Begründung des Antrags heißt es, der Sticker betreibe nationalistische und militaristische Propaganda und mache die »durch das israelische Militär getöteten Zivilisten in Gaza zu Faschisten«.
Die selbe Landesmitgliederversammlung, die das höchste beschlussfassende Gremium der Organisation in Niedersachsen ist, verabschiedete auch eine Resolution mit dem Titel »Gegen die Spaltung der Linken durch sog. ›Antideutsche‹«. In dem Papier werden im Duktus eines Schulaufsatzes Vorwürfe wie »Diffamierungen über Presse und Internet«, »Sachbeschädigung und Diebstahl« und »physische Gewalt« erhoben – ohne Quellen oder Zeugen anzugeben, geschweige denn konkrete Fälle zu benennen. Weil das Hauptziel der Antideutschen »die Schwächung der politischen Linken und der Friedensbewegung« sei, schließt der Antrag mit einem Aufruf an alle Genossinnen und Genossen, »solidarisch gegen Antideutsche vorzugehen und ihre menschen­verachtenden Denkmuster zu entlarven«.

Angesichts der harten Bandagen, mit denen die jungen »Antimilitaristen« gegen den LAK Shalom kämpfen, reagierte dieser mit einem provokativen und polemischen Facebook-Posting, das einen israelischen Kampfpanzer in der Wüste zeigt, vor den ein Zettel mit der Aufschrift »Nächster Halt: Göttingen« gehalten wird. Der Bildunterschrift ist zu entnehmen, dass es sich bei demjenigen, der den Zettel hält, um ein Mitglied des Arbeitskreises handele, das derzeit Hilfsarbeit bei den israelischen Streitkräften verrichte. Seinen Kommentar zu den beiden Beschlüssen formuliert der LAK Shalom in drei Hashtags: »#brumm #merkavaftw #panzerbilder«. Dieses Posting kommentiert wiederum Niema Movassat, ein einschlägig bekannter »Israelkritiker« und Bundestagsabgeordneter der Linkspartei, gänzlich ironiefrei mit den Worten: »Deutsche wollen mal wieder andere töten. Voll aus der Geschichte gelernt.«
Wenige Stunden später veröffentlicht der neugewählte Landessprecherinnenrat eine Erklärung, derzufolge der LAK Shalom aus der niedersächsischen Linksjugend wegen dieses Postings ausgeschlossen werde. In der Erklärung, für die es keine Grundlage in den Statuten des Jugendverbandes gibt, wird das Posting als »direkte Gewaltandrohung gegen die Mitglieder der Basisgruppe Revolutionärer Antikapitalistinnen, die Mitglieder des Landesarbeitskreises Antimilitarismus und Frieden und alle Solid-Mitglieder, die den Anträgen zugestimmt haben«, interpretiert, das Foto des Panzers als tatsächliche Drohung angesehen. Daraufhin erklärte der LAK Shalom, dass er in »solcher Zuspitzung das einzige Mittel« sieht, »um überhaupt noch gegen den antizionistischen Normalzustand in der Linken und der Linksjugend Niedersachsen anzukämpfen und Diskussionen zu provozieren«. Den Ausschluss hält der Arbeitskreis aufgrund der fehlenden Grundlage in der Satzung für »missglückt« und fühlt sich an »stalinistische Methoden« erinnert, da ein »politisches Gremium, das kein für solche Fälle zuständiges Schiedsgericht ist und kein faires Verfahren bietet, aus durchsichtigen politischen Erwägungen heraus beschließt, dass ein ungeliebter Arbeitskreis nicht satzungskonform sei und sich deshalb kurzerhand von ihm entledigt«. Man erwäge deshalb den Gang zum Bundesschiedsgericht des Jugendverbandes.

In der Erklärung des LAK Shalom heißt es zum Ausgangspunkt des Konflikts, dem Panzersticker, dass dieser in zugespitzter Form auf die Notwendigkeit des jüdischen Staates und dessen militärischer Selbstverteidigungsmittel hinweise, die sich aus dem weltweiten Antisemitismus ergebe. Das Forum Demokratischer Sozialismus (FDS) Hannover, eine der Strömungen der Linkspartei, solidarisiert sich mit dem LAK Shalom und betrachtet den satzungswidrigen Ausschluss als neue Eskalationsstufe in den Auseinandersetzungen in Partei und Jugendverband. Das FDS beklagt, dass der niedersächsische Landesverband immer mehr von dem Bundestagsabgeordneten Diether Dehm vereinnahmt werde. Unter Dehm sei »antideutsch« zum Kampfbegriff gegen alle geworden, die sich gegen Antisemitismus, Antizionismus oder auch Querfront-Strategien stellen. Dehm selbst diffamiert beispielsweise Kritiker von Xavier Naidoo, der Ideen der Reichsbürger anhängt, als »antideutsche Shitstorm-SA«. Dehm arbeitet eng mit den »Mahnwachen für den Frieden« zusammen, bei denen Verschwörungstheorien das verbindende Element darstellen. Das FDS kommt zu dem Schluss, dass die Linkspartei wegen Dehms großen Einflusses und des fehlenden antifaschistischen Grundkonsenses in Niedersachsen kaum mehr wählbar sei.

Der satzungswidrige Ausschluss des LAK Shalom Niedersachsen fand aber auch Beifall. Ein bei linken Verschwörungsgläubigen beliebter Blog namens »Internetz-Zeitung« jubelte: »Endlich werden Rechtspopulisten und Apartheid-Politik-Versteher bzw. Befürworter der israelischen Rassentrennungspolitik aus der Linksjugend in Niedersachsen geworfen.« Der Blog »Die Freiheitsliebe«, der der Linksjugend in Nordrhein-Westfalen nahesteht, bescheinigte dem LAK Shalom »Kriegsverherrlichung« und eine »unsägliche Relativierung und Verharmlosung der Gewalt gegenüber den PalästinenserInnen«. Auch die revolutionäre kommunistische Jugendorganisation »Revolution« kommentierte die Ereignisse und sieht die reformistischen Kräfte in der Linkspartei als die wahren Drahtzieher hinter den Shalom-Arbeitskreisen: »So wie die israelischen Panzer die Kettenhunde des Imperialismus darstellen, so sind die Antideutschen die Kettenhunde des Reformismus in der Jugendorganisation, die gefügig gehalten werden soll.«
Die Panzerbildaffäre ist nicht der erste Angriff auf den BAK Shalom und dessen Landesverbände. Der 2007 gegründete BAK Shalom war von Anfang an all jenen in der Partei und ihrem Jugendverband ein Dorn im Auge, die obsessiv das Feindbild Israel pflegen. So wurde etwa in Nordrhein-Westfalen die Gründung eines LAK Shalom nicht gestattet. Als sich stattdessen im Juli 2014 die »BAK Shalom AG NRW« in Wuppertal gründen wollte, wurden die Gründungsmitglieder von fünf Männern angegriffen und geschlagen. Rund einen Monat später beschloss die Linksjugend in Rheinland-Pfalz ein stichwortartiges Pamphlet gegen die »Antideutschen«. In einem Facebook-Kommentar schreibt die niedersächsische Linksjugend: »Wie gesagt, wir bekämpfen Antisemitismus dort, wo er nicht lediglich ein konstruiertes Konstrukt gegen klassenkämpferische Posi­tionen ist.« Wenn man weiß, wo der Feind steht, hat der Tag Struktur.