»Baron Totschild« vor Gericht

Am 3. Oktober 2014 trat der, das ist ihm wichtig, christliche Soulsänger Xavier Naidoo als Redner bei zwei Versammlungen im Berliner Regierungsviertel auf. Das brachte ihm viel mediale Aufmerksamkeit. Kein Wunder, denn beide Versammlungen wurden aus dem verschwörungsideologischen Milieu organisiert und unter anderem von Reichsideologen und NPD-Funktionären besucht. Die beiden Reden nahm Roland Sieber zum Ausgangspunkt für die Analyse »Xavier Naidoo: Telegramm für X oder wie bringe ich Reichsbürger-Inhalte ins Fernsehen«, die auf dem Portal »Netz gegen Nazis« der Amadeu-Antonio-Stiftung erschien. Sieber widmet sich darin unter anderem Naidoos Lied »Raus aus dem Reichstag«: »Baron Totschild gibt den Ton an und er scheißt auf euch Gockel/Der Schmock ist’n Fuchs und ihr seid nur Trottel«.
Der Musiker wollte sich nicht gefallen lassen, dass unter anderem diese Textstelle als antisemitisch bezeichnet wurde. Seine Anwälte ließen der Stiftung und dem Autor eine Unterlassungserklärung zukommen. Vergeblich. Daraufhin reichte Naidoo einen Antrag auf einstweilige Verfügung beim Landgericht Mannheim ein. Vergangene Woche kam es zur Verhandlung, Streitwert: 100 000 Euro. Die Verhandlung endete mit einem Vergleich, in dem sich die Stiftung und Autor Sieber verpflichten, auf bestimmte Formulierungen zu verzichten. Die Stiftung schrieb in einer Stellungsnahme, dass sie »weiter die Auffassung vertritt, dass Zeilen aus Naidoos Liedtext ›Raus aus dem Reichstag‹ als antisemitisch interpretiert werden könnten«. Die Stiftungsvorsitzende Anetta Kahane erklärte, dass man keinen Wert auf »eine langwierige juristische Auseinandersetzung« mit dem Sänger lege. Verständlich: Dieser muss sich deutlich weniger vor Prozesskosten fürchten als die Stiftung. Der Text von Sieber war bei Redaktionsschluss in unveränderter Form nur noch auf linksunten.indymedia.org abrufbar.