Ein kurzes Leben

Michael Zeller hat einen Roman geschrieben, der unter die Haut geht: Im Zentrum von »Bruder Tod. Ein Kinderleben« steht sein älterer Bruder Hellmut, der 1957 im Alter von 17 Jahren Selbstmord beging. Gewidmet ist das Buch dem ältesten der drei Brüder: Wolf, »der letzte Zeuge«, hatte Hellmut zu Hause in der Küche vor dem geöffneten Gashahn gefunden. Über 50 Jahre mussten vergehen, bis Michael Zeller sich wagte, über den Selbstmord des Bruders zu schreiben. Man merkt, dass jemand hier gründlich nachgedacht hat, welche persönlichen Erlebnisse er mit dem Leser teilen möchte und welche zeitgeschichtliche Beobachtung wichtig ist. Zeller beschreibt das Zurücklassen des Familienhauses in Breslau 1941, deren Garten ein Paradies für die beiden älteren Brüder gewesen ist. Zeller geht zurück in die fünfziger Jahre, hat die Orte der Kindheit aufgesucht, in Deutschland, wo er aufgewachsen ist, in Polen, wo er geboren wurde. Hellmut war fünf, der Autor ein Jahr alt, als die Mutter mit den Söhnen wegzog. Detailliert recherchiert Zeller den Briefwechsel des verschollenen Vaters mit Goeb­bels. Der Vater arbeitete im Propagandaministerium. Die Mutter hielt für die Söhne ein positives Bild vom Vater aufrecht, vor allem die Vorstellung davon, dass der Vater bald »heimkommen« werde. Hellmut wird als liebes Kind geschildert, immer darum bemüht, es der Mutter recht zu machen. Was den Roman so interessant macht, ist die Darstellung der Zwänge, der geistigen Enge und Verklemmtheit in der Adenauer-Zeit.

Michael Zeller: Bruder Tod. Ein Kinderleben. Universitätsverlag Brockmeyer, Bochum 2015, 144 Seiten, 14,90 Euro