Flüchtlingspolitik und rechte Gewalt in Brandenburg

Feuer und Feldbetten

Während im brandenburgischen Nauen eine geplante Flüchtlingsunterkunft niederbrennt, sehen sich Politik und Verwaltung mit der Unterbringung von Flüchtlingen an der Grenze ihrer Kapazitäten.

Als die Feuerwehr eintraf, brannte die Turnhalle bereits lichterloh. Eine solch schnelle Brandentwicklung ließ schon zu diesem Zeitpunkt in der Nacht zum 25. August auf eine gut vorbereitete Brandstiftung und den Einsatz von Brandbeschleunigern schließen. Letztlich konnten die Einsatzkräfte das Gebäude, eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Nauen (Brandenburg), nur kontrolliert abbrennen lassen.
Im Zuge der Ermittlungen wurde eine mit 40 Beamten ausgestattete Sonderkommission der Polizei gebildet und die Landesregierung lobte für Hinweise, die zur Feststellung der Täter führen, eine Belohnung in Höhe von 20 000 Euro aus. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sprach bereits kurz nach dem Anschlag von »rechtem Terror«, der nicht geduldet werden könne. Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) sagte, dass »solche Brandstiftungen, die in dieser Größenordnung in den letzten 20 Jahren in Brandenburg nicht stattgefunden haben«, die Landesregierung nicht davon abbringen, »Menschen, die in Not geraten sind, in Brandenburg vernünftig unterzubringen«. Zukünftig will das Land Brandenburg geplante Flüchtlingsunterkünfte schon zwei Monate vor Inbetriebnahme bewachen lassen, sagte Sozialministerin Diana Golze (Linkspartei). Solche Einrichtungen seien in den Wochen vor ihrer Inbetriebnahme am gefährdetsten.
Einen Tag nach dem Brand teilte die Polizei mit, dass am Tatort Spuren eines Brandbeschleunigers gefunden worden seien. Darüber hinaus fanden die Ermittler Einbruchsspuren und Dinge, »die da nicht hingehören«. Es handelte sich dabei, so der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), um eine Gasflasche und angezündete Autoreifen. Die Polizei nimmt an, dass die Brandstifter vorsätzlich Gas in die Sporthalle leiteten. Ein Bekennerschreiben oder Parolen an der Turnhalle oder in der näheren Umgebung fand man nicht.
Die Zunahme der Übergriffe auf Flüchtlinge und Asylunterkünfte sei alarmierend, so jüngst die Potsdamer Beratungsstelle Opferperspektive. Sie berichtet, dass es im Land Brandenburg in den ersten sieben Monaten des Jahres fast so viele Übergriffe wie im gesamten Vorjahr gab. Bis Ende Juli zählte sie 88 Attacken auf Unterkünfte. »Wenn man dem nachgeben wollte, wäre das eine Bankrotterklärung des Staatswesens und würde suggerieren: Du brauchst nur Häuser anzuzünden, dann kommen keine Flüchtlinge. Das wäre das fatalste Zeichen, das von so einer Tat ausgehen kann«, sagte der Bürgermeister von Nauen, Detlef Fleischmann (SPD), im Gespräch mit dem RBB und bekräftigte, dass die zweite geplante Unterkunft in Nauen gebaut werde.

Derzeit werden weitere Unterkünfte dringend benötigt. »Wir sind mit der Kapazität am Rande«, sagte der Sprecher des brandenburgischen Innenministeriums Ingo Decker. Das Bundesamt komme mit der Bearbeitung der Asylanträge nicht mehr nach. Brandenburg rechnet in diesem Jahr mit insgesamt 25 000 Flüchtlingen. 2014 waren es 6 300. In den zentralen Anlaufstellen des Landes Brandenburg ist samt Außenstellen und Notunterkünften Platz für 3 300 bis 3 600 Flüchtlinge. In Eisenhüttenstadt befinden sich derzeit nach Angaben des Innenministeriums 3 541 Personen. Notplätze werden bereits in Anspruch genommen. Es stehen in Eisenhüttenstadt Betten in einer Turnhalle und der Landesfeuerwehrschule. Trotzdem kommen dort und in der Außenstelle Doberlug-Kirchhain die Neuankömmlinge zum Teil nur noch in Zelten unter.
In einem Brief an Ministerpräsident Woidke beklagten die Eisenhüttenstädter Bürgermeisterin Dagmar Püschel (Linkspartei) und der Oder-Spree-Landrat Manfred Zalenga (parteilos) chaotische Zustände in der Brandenburger Erstaufnahmestelle. »Über die Ankunft von 900 Flüchtlingen am Montag wurden wir erst um drei Uhr morgens informiert, obwohl der Zug in München um 22.30 Uhr losgefahren ist«, so Püschel. Flüchtlingsfamilien kämen oft alleine am Bahnhof an und wüssten nicht, wie sie zur Erstaufnahme kommen. »Das müssen dann engagierte Bürger mit ihren eigenen Autos übernehmen«, sagt die Bürgermeisterin. Ministerpräsident Woidke stehe jetzt in der Pflicht, für eine bessere Organisation zu sorgen. Der Leiter der Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Eisenhüttenstadt, Frank Nürnberger, wies die Kritik der Bürgermeisterin zurück. »Ein Chaos ist nicht erkennbar« und die Stadt sei immer informiert über die aktuelle Situation. In der RBB-Sendung »Brandenburg aktuell« bezeichnete er Püschels Kritik als unsensibel und demotivierend.

Um die einzige Erstaufnahmestelle in Brandenburg, die nicht ganz zufällig abgelegen an der polnischen Grenze steht, zu entlasten, soll nun in Potsdam eine Zweigstelle eröffnet werden. Die Landesregierung will in fünf ehemaligen Ministeriumsbauten Platz für Flüchtlinge schaffen. »In ganz Brandenburg gibt es keine Kapazitäten mehr«, sagte Decker den Potsdamer Neuesten Nachrichten. »Wir befinden uns im Ausnahmezustand. Es geht jetzt darum, Obdachlosigkeit und wilde Camps zu vermeiden.« Aus Eisenhüttenstadt sollen 500 Feldbetten nach Potsdam transportiert werden.
Der vorige Woche von der Berliner Abgeordneten Elke Breitenbach (Linkspartei) erhobene Vorwurf, wonach Flüchtlinge mit Krätze in Berlin und Brandenburg auf Anweisung des Polizeipräsidiums auf dem Weg in die Unterkunft künftig weiße Armbinden mit der Aufschrift »K« tragen sollen, ihre Familienangehörigen dagegen solche mit dem Buchstaben »A«, hat sich aufgeklärt. »Vermutlich geht es um die Ankunft der Flüchtlinge aus München am Montag in Eisenhüttenstadt«, so Decker. Auf Bitten der Bundespolizei seien Helfer mit weißen Mullbinden am Arm gekennzeichnet worden. Kranken Flüchtlingen sei hingegen zuvor in München ein »K« auf den Handrücken geschrieben worden, ihren Angehörigen ein »A«. So sollte sichergestellt werden, dass sie schnell versorgt werden, erklärte Decker. Unter anderem sei ein Dialyse-Patient unter den Menschen gewesen.