Lob dem Friseur

»Es ist an der Zeit« (Radeberger), einmal den Berufsständen zu danken, die durch heldenhaften, ja geradezu masochistischen Einsatz dazu beitragen, dass unsere Wirtschaft so putzmunter vor sich hinbrummt. Denn obwohl jedermann weiß, dass unser Gemeinwohl und der soziale Frieden auf ihrem Stillehalten, auf ihrer Klaglosigkeit ruht, dankt ihnen doch sonst kaum einer, diesen Helden des Lohnverzichts. Zuallererst müssen wir natürlich den Krankenschwestern und -brüdern danken, ohne deren rastlose Selbstausbeutung unser Gesundheitssystem viel von seiner Attrativität für Wirtschaftsflüchtlinge aus aller Welt verlöre. Doch werden sie immerhin noch in Sonntags- und Verdi-Reden erwähnt, finden sie noch Achtung in den Talkshows, wo sie oft armutsglänzend sitzen und ihnen ein Maischmensch auf die Schulter klopft, dessen Kleid fünfmal teurer war als der schwesterliche Monatslohn. Nicht beachtet, wiewohl ähnlich wunschlos elendig: die Friseure. Seit Jahr und Tag holen Sie sich die ekligsten Haar- und Lungenkrankheiten durch eingeatmete Stoppeln und giftiges Gel, schneiden sie die blödesten Fransen in Sekretärinnenköpfe hinein und tragen klaglos den seichten Spott, den die Komikindustrie über ihre Ladenbezeichnungen (»Haareszeit«) und ihre sexuellen Vorlieben (Popo) ausgießt. Dabei verdient eine durchschnittliche Friseurin in der Stunde so wenig, dass sich viele noch ein paar Büschel Echthaar mit nach Hause nehmen, um sie zu Perücken für chinesische Oligarchinnen zu flechten oder mit ihnen kleine Haushaltsgegenstände zu basteln (Feudel, Spülschwamm). Doch bräche alles zusammen, wenn uns die Ponys über die Augenlider wüchsen. Danken wir den Friseuren, die jeden Tag für ein paar Groschen freie Sicht auf deutsche Landschaften schaffen. Danke!