Trotz des Friedensabkommens dauert der Konflikt im Südsudan an

Schurken unter sich

Das Friedensabkommen im Südsudan kam nur auf internationalen Druck zustande. Es ist unwahrscheinlich, dass es den Krieg im Land beenden wird.

So viel Freude war den Südsudanesen lange nicht vergönnt. Die Fußball-Nationalmannschaft des jüngsten Staates Afrikas hatte das Team aus Äquatorialguinea in der Qualifikation für die Afrikameisterschaften 2017 am 5. September mit 1:0 geschlagen, und das wurde ausgiebig gefeiert. »Durch den Fußball können wir den Krieg stoppen«, sagte Chabur Goc Alei, der Präsident des Sportverbandes, der BBC. »Beim Fußball reden wir über eine friedliche Nation, weil wir keine Stämme oder politischen Parteien kennen.«
Abgesehen vom Fußball gibt es für die Bevölkerung des Südsudan derzeit wenig Grund zum Jubeln. Seit 2013 tobt ein Krieg zwischen verschiedenen Fraktionen des herrschenden Sudan People’s Liberation Movement (SPLM), der bisher Zehntausende von Menschen das Leben gekostet hat. Mehr als zwei Millionen Südsudanesen befinden sich auf der Flucht im In- und Ausland. Nach erheblichem internationalem Druck durch die UN, die USA und die Regionalorganisation Intergovernmental Authority on Development (IGAD) unterzeichneten die Kontrahenten Ende August ein Abkommen, das dem Land Frieden bringen soll. Doch bereits jetzt beschuldigen die Rebellen, die sich »SPLM in Opposition« nennen, die Regierungsseite, den vereinbarten Waffenstillstand zu brechen.

Begonnen hatte der offene Konflikt zwischen den Anhängern des amtierenden Präsidenten Salva Kiir und seines ehemaligen Stellvertreters Riek Machar im Dezember 2013. Kiir beschuldigte Machar und dessen Gefolgsleute des Putschversuchs und ließ eine Reihe von vermeintlichen Widersachern verhaften. Die Gefechte breiteten sich schnell über die Hauptstadt Juba hinaus aus und erfassten bald das ganze Land. Doch es geht den Kontrahenten nicht um politische Programme oder Visionen für die Zukunft, die der Südsudan bitter nötig hätte. Der Krieg ist vielmehr eine Auseinandersetzung innerhalb einer Herrschaftsclique, bei der es vor allem um die persönliche Bereicherung aus den Einnahmen des Ölgeschäfts und der Entwicklungshilfe geht.
Die Unabhängigkeit im Jahr 2011, nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs zwischen dem Norden und dem Süden des Landes, war bei vielen Südsudanesen und auch in der sogenannten internationalen Gemeinschaft mit der Hoffnung auf eine friedlichere, sozial gerechtere Zukunft sowie lohnende Geschäfte verbunden. Doch statt sich dem Aufbau staatlicher Strukturen zu widmen, monopolisierte die herrschende SPLM die öffentlichen Posten und etablierte ihre Kader als politisch-wirtschaftliche Unternehmer. Die Einkommensquelle für diese neue Klasse waren der Staat und die damit verbundenen Einnahmen.
Bis zu 95 Prozent der Staatseinnahmen stammten bis zum Januar 2012 aus dem Erdölgeschäft, sie hielten die Kleptokratie am Laufen. In jenem Monat stellte die Regierung des Südsudan die Ölförderung ein, weil sie sich nicht mit dem Sudan über die Nutzung und die Entgelte der nach wie vor nach Norden verlaufenden Pipelines einigen konnte. Das bedeutete, dass das Geld, das die herrschende Klasse der politischen Unternehmer bisher zusammengehalten hatte, auf einen Schlag nicht mehr zur Verfügung stand. Nach Recherchen der NGO Global Witness wurden zwischen 2005 und 2012 mehr als vier Milliarden US-Dollar an Staatsgeldern veruntreut.

An der Seite der Regierung kämpfen auch Truppen aus Uganda, das seit langer Zeit ein wichtiger Verbündeter der SPLM ist. Bis zu 3 500 Soldaten aus dem südlichen Nachbarland sollen sich im Südsudan befinden, sie sichern für die Machthaber den Flughafen, die Hauptstadt Juba und einen Teil der Ölfelder. Offiziell wird die Intervention Ugandas mit Sicherheitsinteressen begründet. Der Südsudan dient den Warlords der Lord’s Resistance Army (LRA), die einen christlichen Gottesstaat errichten und die Regierung Ugandas unter Yoweri Museveni stürzen wollen, seit Jahrzehnten als Rückzugsgebiet.
Das Friedensabkommen sieht vor, dass die Kämpfe sofort eingestellt werden, die Soldaten in die Kasernen zurückkehren und ausländische Kämpfer das Land innerhalb von 45 Tagen verlassen. Kindersoldaten und Kriegsgefangene sollen freigelassen und Juba soll entmilitarisiert werden. Den Rebellen wird der Posten des »ersten Vizepräsidenten« zugesprochen, eine Übergangsregierung mit einem Mandat für 30 Monate soll innerhalb von 90 Tagen eingesetzt werden. Spätestens 60 Tage vor Ablauf des Mandates soll es Wahlen geben.
Doch Beobachter sind skeptisch, dass das Abkommen den Krieg im Südsudan beenden kann. »Der Vertrag ist vor allem eine Vereinbarung zur Machtteilung«, kommentiert der langjährige Sudan-Beobachter Alex de Waal gegenüber der Jungle World. »Er hätte funktionieren können, wenn die Ressourcen, die es zu verteilen gibt, sich vergrößert hätten und jeder seine Anhänger angemessen honorieren und im Zaum halten könnte.« Doch angesichts sinkender Einnahmen – der Rohölpreis befindet sich seit einem Jahr auf Talfahrt, die Förderung im Südsudan brach aufgrund des Krieges um ein Drittel ein – sei das nicht möglich, meint de Waal. »Keiner der Anführer hat seine politische Geschäftsstrategie geändert, und das Abkommen kann nur funktionieren, wenn einer oder beide eine andere Quelle der Finanzierung finden. Die wahrscheinlichste Quelle liegt in der Marginalisierung anderer Gruppen und der Aneignung ihrer Güter, vor allem Land. Das Friedensabkommen wird wahrscheinlich zu zusätzlichen Konflikten führen.«
»Der Südsudan«, so schrieb die New York Times Anfang des vergangenen Jahres, »ist in vielerlei Hinsicht eine amerikanische Schöpfung, entstanden aus einem vom Krieg zerstörten Sudan in einem Referendum, das weitgehend von den Vereinigten Staaten orchestriert wurde. Seine fragilen Institutionen wurden genährt durch Milliarden US-Dollar an amerikanischer Hilfe.« Doch auch Deutschland begrüßte und unterstützte die Teilung des Sudans tatkräftig. Die Übergangsverfassung des Landes wurde am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg entworfen. Der Südsudan ist ein Kooperationsland des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Im Auftrag des deutschen Außenministeriums besorgte die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) bis zum Ausbruch des Krieges den Aufbau der Kommunikationsstrukturen der südsudanesischen Polizei.

Die Politik westlicher Staaten gegenüber dem Sudan, die aktiv die Spaltung des Landes vorantrieb und über Jahrzehnte das SPLM beziehungsweise dessen Armee unterstützte, hat einen durch und durch korrupten Staat hervorgebracht, in dem Warlords und politische Unternehmer den Ton angeben. Den Preis dieser verfehlten Politik bezahlt allerdings nicht die sogenannte internationale Gemeinschaft, sondern es sind die Menschen im Südsudan, die über Generationen nichts anderes als Verfolgung, Vertreibung und Mord kennengelernt haben.
Im jetzigen Friedensabkommen ist auch die Rede von einer Versöhnungskommission und der Einsetzung eines mit nationalen und internationalen Richtern besetzen Gerichtshofes. Doch viele Südsudanesen glauben nicht daran, dass dieser schnell, umfassend und effektiv Gerechtigkeit bringen kann. Das gleiche gilt für die vorgesehenen Wahlen. »Die Grundlagen für ein demokratisches Leben – also eine freie Presse, die Möglichkeit für Gruppen zu mobilisieren und politische Parteien zu formen sowie eine unabhängige Justiz – existieren nicht«, so de Waal. »Ohne diese Gegebenheiten werden die Wahlen nicht Demokratie und Inklusivität fördern, sondern könnten tatsächlich der Anlass für mehr Gewalt oder Unterdrückung sein.«