Berlin Beatet Bestes. Folge 308.

Amazon ist einfach nicht cool

Berlin Beatet Bestes. Folge 308. Pokey LaFarge: Something in the Water (2015).

Bereits im Frühjahr hörte ich von einer neuen LP von Pokey LaFarge und kurz darauf spielte Jörg Heidemann einen Song daraus in unserer gemeinsamen Radiosendung. Er hatte das Album allerdings nur heruntergeladen. Ich wartete auf die Vinyl-Veröffentlichung auf Rounder, einem der größten US-amerikanischen Independent-Labels, das von Universal vertrieben wird. Bei Amazon wurde die Platte schon angeboten und sicher hätte ich sie auch bei irgendeiner Kette wie Wom oder Media Markt kaufen können. Ich kaufe aber prinzipiell nichts im Internet. Nicht, weil ich nicht weiß, wie das funktioniert, sondern weil ich entfremdete Versandhauskäufe ablehne. Ist doch traurig, dass wir heutzutage quasi alle zu Quelle-Kunden geworden sind.
Ich habe auf meiner USA-Reise einige trostlose, total tote Kleinstädte gesehen, in denen es keinen einzigen Laden mehr gab. Weil alle im Internet oder Supermarkt in der nächsten größeren Stadt einkaufen.
Dasselbe lässt sich sicherlich im nahen Brandenburg auch beobachten. In Filialen von Handelsketten kaufe ich erst recht keine Schallplatten, das ist eines echten Musikfans und Plattensammlers unwürdig. Amazon und Media-Markt sind einfach nicht cool. Ich will im Spezialgeschäft beim Fachhändler kaufen. Das mache ich seit über 30 Jahren so, und wenn das nicht mehr möglich ist, hat sich für mich der Sinn eines urbanen Lebens erschöpft.
Also ging ich weiter brav in den Indie-Laden um die Ecke. Da hieß es nur: »Die kommt bald. Wir kriegen alles von Universal. Ganz sicher.« Als wäre es nicht schon uncool genug, dass ich überhaupt eine Platte suche, die von Universal vertrieben wird, kam ich doch Woche um Woche rein und fragte mittlerweile nur noch: »Pokey?« Erst kam nur Kopfschütteln, später: »Du bist ja ganz heiß.« Ohne nachzufragen ging ich dann nur noch direkt zur Neuigkeitenkiste. Immer ohne Erfolg. Die LP kam nie.
Im August fand ich die LP dann endlich, über 6 000 Kilometer entfernt von Berlin, ausgerechnet in einem Plattenladen in Kalamazoo, Michigan. Erst weitere zwei Wochen später, als ich sie zu Hause auflegte, entdeckte ich das farbige Vinyl. Da kannten Julia und ich die Songs zwar schon lange aus dem Internet, das Beste an diesem Album bleibt aber, dass wir es zusammen hören können. Pokey LaFarges Mischung aus Western Swing und Jazz ist erfrischend weit von herkömmlicher Rock- und Popmusik entfernt, die trotz der verzweifelt progressiven Gesten irgendwie doch meist an die Achtziger und Neunziger erinnert. Pokeys Band hingegen macht radikal akustische, durch und durch stilechte Retro-Musik. Er sieht dabei aus, als wäre er aus einem Foto der vierziger Jahre gefallen, wie Max Raabe als Hillbilly. Er schreibt auch eigene mitreißende Hits wie »Something In The Water«, spielt auf Festivals zusammen mit modernen Bands und tourt weltweit. Am 21. Oktober tritt Pokey in Berlin im Roadrunner’s Paradise auf. Bei meinem Glück würde es mich nicht wundern, wenn ich keine Karte mehr bekäme.
Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.