Rassistische Hetze im Netz gegen einen norwegischen Fußballspieler

Schweine und Müll

Hass und Gewalt kommen im norwegischen Fußball eher selten vor. Umso ernster nehmen Vereine und Polizei nun ein Posting auf Instagram, in dem ein Spieler bedroht wurde.

Rosenborg Trondheim, der norwegische Rekordmeister, sieht sich gern als europäischen Spitzenverein – und als Vorkämpfer gegen den auch in Skandinavien weitverbreiteten Hass gegen Minderheiten. Bereits 2009 hatte man sich der Aktion »Med idretten mot homohets« (Mit dem Sport gegen Schwulenhetze) angeschlossen und war auch ziemlich stolz darauf, als einer der ersten Vereine in Zusammenarbeit mit örtlichen Schwulenverbänden dafür zu sorgen, ein »offener Club« zu sein, »in dem Platz für alle ist«.
Dass nun jedoch die eigenen Anhänger einen Spieler als Müll, Schwein und Quisling, also Verräter, bezeichneten, trifft nicht nur den Vorzeigeverein hart. Im norwegischen Fußball ist man schließlich stolz darauf, dass es weder nennenswerte Ausschreitungen noch Diskriminierungen gibt – umso ernster nahm man nun einen Social-Media-Eintrag, der übereinstimmend von allen beteiligten Clubs als Mordaufruf gewertet wurde.
Auf ein Posting des offiziellen Instagram-Accounts »moldefotballklubb«, in dem es darum ging, dass nur noch wenige Karten für das Heimspiel gegen Rosenborg am Sonntag verfügbar seien, hatte ein Rosenborg-Fan mit »Drep Bakenga« (Tötet Bakenga) geantwortet.
Molde löschte den Kommentar nicht einfach, sondern reagierte umgehend und gab bekannt, dass man die Polizei einschalten werde. Trond Alstad, Pressesprecher von Rosenborg, nannte den Kommentar »vulgär und abscheulich« und erklärte, dass man den gegnerischen Verein unterstützen werde. Der Kommentar-schreiber werde »selbstverständlich« Stadionverbot erhalten und außerdem von allen Aktivitäten, die mit Rosenborg zu tun haben, ausgeschlossen. »So ein kränkendes Benehmen wollen wir nicht, und schon gar nicht von Leuten, die Fans unseres Vereins sind«, betonte Alstad.
Einfach nur als blöden Scherz wollten beide Clubs den kurzen Kommentar keinesfalls abtun, im Gegenteil, in allen folgenden Statements wurde er als »Mordaufruf« bezeichnet. Dabei gelten die Spiele zwischen Rosenborg und Molde traditionell als »Hassspiele«, die jeweiligen Fans prügeln im Vorfeld traditionell in Leserbriefspalten und mittlerweile in Social-Media-Kommentaren aufeinander ein, eher selten folgt darauf auch reale Gewalt.
Dass Mushaga Bakenga nun so viel Hass auf sich zieht, liegt vor allem daran, dass der Mann viele Jahre bei Rosenborg gespielt hatte. Als 15jähriger hatte der Trondheimer 2007 bei Rosenborg seine Karriere begonnen, 2012 war er dann ins belgische Brügge gewechselt. Anschließend wurde er von dort aus an den dänischen Superligisten Esbjerg fB und später an Eintracht Braunschweig verliehen.
Als Anfang dieses Jahres Mushaga Bakengas Wechsel zum Erzrivalen Molde bekanntgegeben wurde, reagierten die Rosenborg-Fans zumindest in schriftlicher Form mit einer Aggressivität, wie sie in Norwegen eher selten vorkommt. Die sogenannten Sjikane-Meldungen, also Mobbing- und Hassbotschaften, nahmen schließlich derart überhand, dass auf Twitter ein eigenes Hashtag erfunden wurde, mit dem unter anderem prominente Fußballerkollegen Bakenga unterstützten: #Klembakenga, zu Deutsch: eine Umarmung für Bakenga, führte allerdings nicht wirklich dazu, dass sich die aufgebrachten Fans beruhigten. Dass sich der Spieler gleich im ersten Trainingsmatch für Molde schwer verletzte und sich einen Achillessehnenriss zuzog, wurde in Trondheim eher mit Häme denn mit Mitleid kommentiert.
Damit, dass sein nun anstehendes erstes Spiel gegen seinen alten Verein brisant werden könnte, hatte die Polizei von Molde ohnehin gerechnet, nach dem Instagram-Kommentar wurden die Sicherheitsvorkehrungen verschärft und Maßnahmen ergriffen, die es sonst bei Spielen der Tippeligaen nicht gibt: Der Pub, in dem sich die Molde-Fans normalerweise aufhalten, wurde am Spieltag hermetisch abgeriegelt, die Auswärtsfans mussten auf ihrem Weg ins Stadion einen weiten Umweg laufen, damit sie nicht in die Nähe der Kneipe kamen.
Außerdem scheint man die Fans im Vorfeld genau beobachtet zu haben. Als der Mann, der den Instagram-Kommentar geschrieben hatte, am Sonntag in Molde ankam, wurde er von der örtlichen Polizei umgehend noch vor dem Stadion festgenommen und zum Verhör auf die Wache gebracht. Nach dem Ende des Spiels setzte man ihn in einen Bus zurück nach Rosenborg, womit die Sache allerdings für ihn noch nicht ausgestanden sein dürfte, denn ein Polizeisprecher kündigte weitere Ermittlungen an.
Insgesamt sei es dann während des Spiels recht ruhig gewesen, wenn man davon absähe, dass eine »für Norwegen sehr ungewöhnlich große Menge Pyrotechnik« abgebrannt worden sei und vier Rosenborg-Fans nach dem Abpfiff das Spielfeld gestürmt hätten. Ihnen drohe nun eine Anzeige wegen Störung der öffentlichen Ordnung, aber sie seien nicht verhaftet, sondern einfach nur nach Hause geschickt worden.
Bakenga hatte während des Spiels auf der Ersatzbank gesessen, zur Zielscheibe von Hass und Spott war er trotzdem geworden. Im Fernsehsender TV2 wurden Sprechchöre gezeigt, in denen er als svin (Schwein), søppel (Müll) und Quisling bezeichnet wurde – die Rosenborger Supportervereinigung Kjernen fand jedoch, dass diese Rufe aus dem Kontext gerissen worden seien. »In unserer Fankultur ruft man das schon bestimmt seit 15, 20 Jahren«, sagte Sprecher Espen Viken, »es richtet sich nicht speziell gegen Bakenga.«
Bakenga selbst bemühte sich, die aufgeheizte Stimmung in Interviews nach dem Spiel zu relativieren. Dass bei Spitzenbegegnungen gehetzt werde, gehöre ja im Prinzip dazu, andererseits habe er den Kommentar als peinlich und idiotisch empfunden. »Ich lebe noch, so einfach ist das also nicht, mich umzubringen«, hatte er zunächst gelacht. Und hinzugefügt, dass es eben »eine Menge eigenartiger Leute« gebe. »Aber eigentlich scheiß ich drauf«, sagte er, »vielleicht finden sie ja doch noch mal etwas Besseres, das sie mit ihrem Leben anfangen können.« Im Übrigen sei er nun einmal Trondheimer und werde daher sicher irgendwann zu Rosenborg zurückkehren, damit sollten sich die, die ihn derzeit hassen, besser abfinden.