Die rechte FPÖ erzielt bei den Wahlen in Wien ihr bestes Ergebnis

Die FPÖ schlagoberst ab

Bei den Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen in Wien hat die FPÖ ihr bisher bestes Ergebnis erreicht. Die SPÖ stellt jedoch erneut den Bürgermeister Wiens.

Der FPÖ-Kandidat Heinz-Christian Strache wird nicht Wiener Bürgermeister. Das ist die einzige gute Nachricht der Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen in der österreichischen Hauptstadt. Am Sonntag verlor die rot-grüne Regierungskoalition deutlich an Stimmen: Die Sozialdemokraten (SPÖ) erhielten 4,7 Prozentpunkte weniger als beim vorigen Mal und kamen auf 39,6 Prozent der Stimmen; die Grünen verloren 0,8 Prozentpunkte und kamen auf 11,8 Prozent, gewannen aber nicht nur erneut im Bezirk Neubau, sondern erstmals auch in Währing. Eine erneute rot-grüne Koalition mit 54 von 100 Sitzen bleibt die wahrscheinlichste Option. Möglich wäre auch eine Koalition aus SPÖ und der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP). Letztere aber hat 4,8 Prozentpunkte verloren und erhielt nur noch 9,2 Prozent. Sie spielt in Wien kaum eine Rolle und eine rot-schwarze Koalition hätte mit nur 51 Sitzen eine denkbar knappe Mehrheit. Erstmals in den Gemeinderat eingezogen ist mit 6,2 Prozent der Stimmen die liberale Partei »Neos – Das Neue Österreich und Liberales Forum«, die sich als Bewegung gegen den Politfilz inszeniert, mit Unterstrich gendert und deren Vorsitzender Matthias Strolz auf Facebook schrieb: »Wer illegal auf unserem Territorium aufgegriffen wird, der verwirkt die Möglichkeit auf ein Asylverfahren.« Der linke Zusammenschluss »Wien ANDAS« erreichte, ebenso wie die Liste »Gemeinsam für Wien«, die der türkischen AKP nahestehen soll, nur knapp ein Prozent der Stimmen und damit kein Mandat.

Obwohl die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) ihr bislang bestes Ergebnis in Wien erreichte, waren viele Linke erleichtert. Die FPÖ gewann fünf Prozentpunkte dazu und mit 30,8 Prozent der Stimmen 34 der 100 Sitze im Gemeinderat. Die Freude der Linken erklärt sich daraus, dass es in den Wochen vor der Wahl die ernsthafte Befürchtung gab, die FPÖ könnte der SPÖ den Rang ablaufen und den Bürgermeister stellen. Auf Bundesebene bescheinigten Umfragen der FPÖ seit Monaten zehn und mehr Prozentpunkte Vorsprung vor SPÖ und ÖVP, und in allen drei Landtagswahlen in diesem Jahr hat die FPÖ Erfolge errungen. Die Wiener Wahl wurde daher zum Duell zwischen Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und dem FPÖ-Vorsitzenden Strache stilisiert. Wäre dies nicht so gewesen, hätte die SPÖ wohl noch viel mehr Stimmen verloren, denn viele hatten die Partei nur gewählt, um Strache als Bürgermeister zu verhindern.
Die FPÖ hatte den Wahlkampf großspurig mit einem Aufruf zur »›Oktober‹-Revolution« begonnen und – schlechte Reime sind ihr bewährtes Stilmittel – angekündigt: »Wien tauscht Häupl gegen HC Strache/und nimmt für Rotgrün süße Rache«. Sie agitierte gegen die Regierung, hatte aber einen schlechteren Stand als bei anderen Wahlen. Wien wird in Studien immer wieder als lebenswerteste Stadt der Welt bezeichnet und Häupl, der irgendwie sympathische dicke Mann mit Schnauzer und Weißweinspritzer, ist nicht nur für Sozialdemokraten, sondern weit über die Parteigrenzen hinaus und auch für viele klassische Nichtwähler wählbar. Er personifiziert so etwas wie die letzte, bröckelnde Bastion des antifaschistischen Flügels der SPÖ, die ansonsten, historisch wie aktuell, eher einen Anbiederungskurs an die FPÖ vertritt und oft genug rassistische Politik gemacht hat. Als einem von ganz wenigen in der SPÖ nimmt man ihm die Absage an die Zusammenarbeit mit der FPÖ ab – und er hat damit in Wien weniger verloren als andere Landeschefs. Häupls Karriere geht jedoch wohl ihrem Ende entgegengeht, und es fehlt der SPÖ nicht nur in Wien an brauchbaren Nachwuchspolitikern.

Der Sieg der FPÖ zeigt sich auch darin, dass sie in Simmering, einem traditionell sozialdemokratisch regierten Wiener Arbeiterbezirk, stärkste Kraft wurde. In Florisdorf, ebenfalls ein Arbeiterbezirk, konnte sich die SPÖ nur mit 1 000 Stimmen Vorsprung halten. Ihr bricht ihre Stammwählerschaft weg, aber es spielt auch eine Rolle, dass auf Bezirksebene nur 1,3 Millionen, auf Gemeinderatsebene sogar nur 1,1 der über 1,7 Millionen Wienerinnen und Wiener wählen durften, weil die anderen keinen EU-Pass haben. Viele von denen, die nicht wählen dürfen, wohnen in diesen Bezirken und hätten wohl SPÖ gewählt.
»Das Flüchtlingsthema«, so war der Tenor nach der Wahl, habe wesentlich zu ihrem Ausgang beigetragen. Darin schwingt mit, es sei quasi eine Naturnotwendigkeit, dass tatsächliche oder vermeintliche Flüchtlingskrisen – das sind selbstredend »Krisen« für Österreich durch Flüchtlinge, nicht Krisen für Flüchtlinge – der FPÖ nutzen. Deren einzige Kompetenz in dieser Frage liegt darin, am deutlichsten gegen Flüchtlinge Stimmung zu machen, und tatsächlich hat sie damit bei zurückliegenden Wahlen Stimmen hinzugewonnen.
Es wird oft absichtlich vergessen, dass die Wähler und Wählerinnen der FPÖ die Entscheidung für die Freiheitlichen bewusst treffen: Sie wollen eine rassistische Partei wählen. Darin liegt das Problem, nicht im »Populismus« der FPÖ oder der mangelnden Kompetenz der anderen Parteien und schon gar nicht darin, dass die Leute nicht anders könnten. Das Problem ist die inhaltliche Übereinstimmung zwischen der FPÖ und den jeweils etwa 30 Prozent der Wahlberechtigten, die bei Wahlen oder in Umfragen ihre Stimme der FPÖ geben. Wien, das jetzt wieder gerühmt wird und sich rühmt, für »Menschlichkeit« gestimmt zu haben, reiht sich ein in die Liste der Orte, wo jeder Dritte eine Partei wählt, in deren Programm zu lesen ist: Die »Mehrheit der Österreicher ist Teil der deutschen Volks-, Sprach- und Kulturgemeinschaft«. Wien bleibt vorerst rötlich, dass aber diese »Volksgemeinschaft« Strache 2018 zum Kanzler macht, droht nach wie vor.