Die Geschichte des Spanischen Bürgerkriegs wird katalanisch-nationalistisch interpretiert

Durruti im Museum

Der Spanische Bürgerkrieg verweigert sich einer nationalistischen Geschichtsschreibung. Das verdeutlicht die ständige Ausstellung im Museum der Geschichte Kataloniens in Barcelona.

Es ist ein felsenfester Grundsatz: keine Nation ohne Nationalmuseum. Das gilt auch für Katalonien. In dessen Hauptstadt Barcelona findet sich das Museum der Geschichte Kataloniens. Es ist in einem Ende des 19. Jahrhunderts errichteten Lagerhaus am Alten Hafen untergebracht und wurde 1996 zu einer hochmodernen Ausstellungstätte umgebaut.
Die nationale Geschichtsschreibung beginnt mit der ersten Besiedelung der katalanischen Lande in prähistorischer Zeit. Es folgen die »Geburt der katalanischen Nation« im Kampf gegen die islamischen Eroberer in al-Andalus zwischen dem 8. und 13. Jahrhundert und die Expansion im Mittelmeer mit der Einnahme von Mallorca und der Annexion Siziliens, während die Städte wuchsen und in ihnen politische Institutionen, die Corts und die Generalitat, entstanden. Es folgen die Hungersnöte und die Pest, die die Bevölkerungszahl halbierten. Nicht fehlen darf das Bündnis mit den Habsburgern gegen Frankreich, das zur nationalen Urkatastrophe an einem anderen 11. September, dem von 1714, führte, als Barcelona nach 13monatiger Belagerung gestürmt wurde, was das vorläufige Ende des Staats Katalonien besiegelte. Weiter geht es mit der Industrialisierung (»eine von Dampfkraft angetriebene Nation«) und der Geburt der modernen Klassengesellschaft in Katalonien mit entstehender Bourgeoisie und Arbeiterklasse – all das lässt sich interaktiv erkunden, mit vielen Knöpfchen, auf die man drücken kann, um Film- und Tondokumentationen abzuspielen. Eine großartige, höchst instruktive Show!

Aber diese nationale Geschichtsschreibung gelingt nicht ohne theoretische Kollateralschäden. Exemplarisch dafür ist die Darstellung des Spanischen Bürgerkriegs, die die komplexe Geschichte der Auseinandersetzungen zwischen Protagonisten der sozialen Revolution, Stalinisten und Republikanern ausblendet, um sie auf den Kampf zwischen Republik und Franco-Faschismus zu reduzieren. Auf der Tafel mit dem Titel »Die Macht der Straße« heißt es über den Beginn der Kämpfe gegen Francos Putschisten im Jahr 1936 und die Politik der Generalitat, der katalanischen Regierungsinstitutionen, sowie des katalanischen Regierungspräsidenten Lluis Companys: »Die bewaffnete Arbeiterklasse verfolgte jene, die mit dem Militärputsch sympathisierten, brannte Kirchen nieder und übernahm Fabriken. Die Legitimität der Generalitat wurde erhalten, aber sie war nicht in der Lage, die öffentliche Ordnung zu garantieren. Gewerkschaftliche und politische Organisationen gründeten das Zentralkomitee antifaschistischer Milizen und organisierten eine Volksarmee. Die erste Kolonne mit 3 000 Milizionären, kommandiert von Buenaventura Durruti, marschierte am 23. Juli auf Aragon. Ende September formte Lluis Companys den Rat der Generalitat und löste das Zentralkomitee auf. Tausende Frauen schlossen sich dem antifaschistischen Widerstand an.«
Tatsächlich spielte Durrutis Kolonne eine gewichtige Rolle in der sozialen Revolution, sie war keineswegs eine rein antifaschistische Miliz. Und es ist das einzige Mal, dass Durruti in der Ausstellung erwähnt wird, ein Bild von ihm wird nicht präsentiert. Kein Wunder. Schließlich lässt sich Durruti, der internationalistische anarchistische Sozialrevolutionär, schwerlich für eine katalanisch-nationalistische Geschichtsschreibung vereinnahmen.

Ähnlich nebulös heißt es auf der Tafel mit dem Titel »Die Revolution«: »Geschäftsleute verschwanden in den ersten Tagen der Revolution. Einige wurden ermordet, andere flohen. Die Notwendigkeit, die Industrieproduktion wieder zu etablieren, führte spontan zu Kollektivierungen und Arbeiterkontrolle von Betrieben. Die Generalitat legalisierte den Prozess, indem sie am 24. Oktober 1936 ein Dekret erließ und eine Kriegsindustrie improvisierte. Bald kamen Meinungsverschiedenheiten auf und die Konfrontation vom Mai 1937 ließ die republikanischen Kräfte marginalisiert zurück.«
Aber auch auf dem Land hatten die revolutionären Kräfte Kollektivierungen betrieben, die im Übrigen keineswegs der Etablierung einer Kriegsindustrie dienten. Und die schweren Kämpfe zwischen Anarchisten und Mitgliedern der marxistischen POUM einerseits, Stalinisten und Guardia Civil andererseits in Barcelona im Mai 1937 als irgendeine nicht spezifizierte »Konfrontation« zu umschreiben, die auf bloßen »Meinungsverschiedenheiten« beruhte, ist gewagt. De facto hatte die unter dem Einfluss der Stalinisten stehende Regierung die Anarchisten aufgefordert, die Waffen abzugeben, und sie war es auch, die die revolutionäre Selbstverwaltung von Fabriken der Kriegsproduktion unterordnete. »Der allgemeine Umschwung nach rechts begann ungefähr im Oktober und November 1936«, schrieb George Orwell in »Mein Katalonien«, »als die UdSSR anfing, die Zentralregierung mit Waffen zu versorgen, und als die Macht von den Anarchisten auf die Kommunisten überging.« Und er ergänzte im Hinblick auf die der spanischen Regierung von der UdSSR diktierte Politik: »Es besteht kaum ein Zweifel daran, dass diese Bedingungen vor allem lauteten: ›Verhindert die Revolution oder ihr bekommt keine Waffen.‹«
»Das Ende des Kriegs am 1. April 1939 bedeutete eine Niederlage für Katalonien, für die Republik und für die Autonomie«, lautet das Resümee in der Ausstellung sodann. So löst sich die Geschichte des Spanischen Bürgerkriegs, in dem die konterrevolutionären Kräfte, insbesondere die Stalinisten, die soziale Revolution niederschlugen, um dann den Bürgerkrieg gegen Franco zu verlieren, in der Ausstellung umstandslos in einem nationalen Narrativ auf. Und die gegen Staat und Kapital gerichtete Dimension der sozialen Revolution in Spanien wird aus der Geschichte eliminiert.
All das ist wenig verwunderlich bei einer Institution wie diesem Museum, das 2012 ein Buch veröffentlichte, fußend auf einer von ihm organisierten Historikertagung, mit einer Kapitelüberschrift, die lautete: »Genozid an der Identität«. Der nationalen natürlich.