editorial de la casa

Touristinnen und Touristen, die sich von der Masse abheben wollen, suchen die Abgeschiedenheit, insbesondere wenn sie sich aus dem kühlen europäischen Norden in den Süden wagen. Das gilt auch für den bunten Haufen periodistas alemanas, die eine Sondernummer aus Barcelona produzieren. Die meisten von uns, die sich vor der Reise mit der redaktionellen Planung der Zeitung und weniger mit der Logistik beschäftigt haben, stellen spätestens bei der Abholung des Mietautos am Flughaufen fest: Der Ort, an dem wir ab jetzt zehn Tage lang wohnen werden, hat nicht einmal einen Namen! Zum Glück kann man bei Google Maps die Koordinaten eingeben. Es geht hoch in die Berge.
Unsere Residenz, eine Finca im Naturpark de la Muntanya de Monserrat, hat eine eigene Home Story verdient. Nicht nur wegen der besonderen Lage, des spektakulären Ausblicks und der Überdosis an gesunder Bergluft. Das Haus, erzählt uns Jessica, unsere Facility-Managerin, gleich bei der Ankunft, habe besondere vibras. Sie zeigt uns bei einer kleinen Führung »die Geheimnisse des Hauses«. Die erste Ernüchterung: Es gibt eine Yoga-Hütte, aber keinen Pool. Anstelle einer Meuterei kommt von einem Kollegen der Vorschlag, morgens lieber eine Session Sonnengrüße anzubieten. In einer Ecke des großen Gartens entdecken wir eine merkwürdige, sternförmige Komposition aus Steinen, die wir zunächst für einen Davidstern halten. Unsere Herzen gehen für einen Moment auf: Sind wir etwa bei Israelfreunden gelandet? Doch bevor wir Jessica nach ihrer Einstellung zu Israel fragen können, klärt sie uns auf: Beim steinigen Sechseck handele es sich um die »Grundform des Universums«. Was auch immer sie damit meint, schon stellen wir uns vor, wie wir unsere Redaktionssitzungen um diesen Kreis halten, unser CvD in der Mitte, die Redakteurinnen und Redakteure im Lotussitz, händchenhaltend um ihn herum. Was aus dieser Phantasie geworden ist, können Sie auf Seite 24 bestaunen.
Obwohl das Wetter dazu perfekt gepasst hätte, kam die Inipihütte, die Schwitzhütte, nicht zum Einsatz. Wir haben uns für die etwas bequemere Variante entschieden: den Kamin. Wer übrigens dafür verantwortlich ist, dass die Wetterlage nicht so ist, wie wir aus dem kalten Norden uns das vorgestellt haben, wird uns auch verraten: die Schamanen. Die haben nämlich, so erzählt uns Jessica, ihre Tagung gerade eine Woche vor uns in dem Haus abgehalten, und raten Sie mal, wofür sie schamaniert haben: Ausgerechnet für den Regen! Die schamanischen Schwingungen haben uns nicht nur mieses Wetter beschert, sondern auch das W-Lan komplett lahmgelegt. Uns wird geraten, Bäume zu umarmen, stattdessen versuchen wir, ein eigenes Netzwerk aufzubauen, aber nichts läuft. Kreativität ist angesagt: Die Sportlichen unter uns gehen ein paar Meter hoch auf den Berg, da zeigt das Smartphone ein paar Balken, so dass mit viel Geduld sogar ein Bild auf Facebook gepostet werden kann. Andere versuchen es mit komplexen Konstruktionen aus Stühlen und Tischen, auf denen sie balancierend, das Handy in die Luft haltend, ein paar Minuten chatten können. Resignation macht sich breit, manche wollen es einfach nicht wahrhaben: Netz- und Social-Media-Entzug. Darauf waren wir nicht vorbereitet! Die Entspannteren, auch Technikverweigerer genannt, machen sich über die Verzweiflung der Internetsüchtigen lustig, was allerdings nicht immer für gute Schwingungen sorgt. Abends erzählen dann die Kollegen gerne bei einem Glas vermut Anekdoten, wie es damals war, als man eine Zeitung ohne Internet gemacht hat.
Das Experiment wollten wir nicht wagen. Und so war alles etwas umständlich, hat aber dazu geführt, dass die Recherche viel mehr auf der Straße, unter echten Menschen stattgefunden hat. Das Ergebnis halten sie in den Händen. Katalanisches nation building, Wirtschaftskrise, Bürgerkrieg, Kifferclubs, Stierkämpfe, Anarchismus und vieles mehr. Unser ganz besonderer Dank geht an die Freundinnen und Freunde, Kolleginnen und Kollegen, die uns begleitet und unterstützt haben: Thorsten Mense, Josefine Haubold, Ivo Bozic und Holger Hinterseher.
Die Releaseparty der Sondernummer findet heute, am 15. Oktober, ab 20 Uhr in Berlin im Bei Ruth statt. Am 23. Oktober um 19.30 Uhr wird es eine Podiumsdiskussion zu den Themen der Ausgabe mit Raul
Zelik, Thorsten Mense und Moderatorin Julia Hoffmann in der Schankwirtschaft Laidak geben.
Wir freuen uns auf Sie! Carajo!