Toller Fußball beim FC Barcelona

Kosmopolitismus auf dem Platz

Wer wirklich tollen Fußball sehen will, wird beim FC Barcelona fündig. Egal, ob vor Ort oder vor dem Bildschirm.

»Die Kunst des schönen Spiels« lautet der Untertitel von Dietrich Schulze-Marmelings Vereinsbiographie über den FC Barcelona. Die fünf Wörter bringen auf den Punkt, wofür der katalanische Großklub, der 23 Mal die spanische Meisterschaft gewann, seit Jahrzehnten steht. Auch international gehört El Barça mit fünf Titeln im Europapokal der Landesmeister beziehungsweise in der Champions League und zwei Siegen bei der Klub-Weltmeisterschaft zu den erfolgreichsten Fußballvereinen überhaupt. Voraussetzung für diese Erfolge war schon immer der Anspruch, die besten Spieler der Welt in der Mannschaft zu haben – unabhängig von ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Nationalität. Die Argentinier Diego Maradona und Lionel Messi, die Brasilianer Rivaldo und Ronaldinho, die Niederländer Johan Cruyff und Johan Neeskens, der Deutsche Bernd Schuster, der Engländer Gary Lineker, der Franzose Thierry Henry, der Kameruner Samuel Eto’o, zahlreiche spanische Welt- und Europameister – sie waren oder sind die weltbesten Fußballspieler ihrer Generation. Gleiches galt für den Posten auf der Trainerbank.
Sicher, der katalanische Nationalismus, für den der FC Barcelona steht wie keine andere gesellschaftliche Institution Kataloniens, hat genauso eine Tendenz zur Ausgrenzung wie jeder andere Nationalismus. Auch beim FC Barcelona gab und gibt es rechte Fans, etwa die Boixos Nois, deren Rassismus unverkennbar ist. Doch man sollte nicht vergessen, dass ein Großteil des katalanischen Patriotismus bei Barça sich aus der tatsächlichen Unterdrückung durch die spanische Zentralregierung speiste. Bereits 1936, zu Beginn des Spanischen Bürgerkrieges, wurde der damalige Vereinspräsident Josep Sunyol von Truppen des faschistischen Putschgenerals Franciso Franco erschossen. Anfang der vierziger Jahre wurde ein Getreuer Francos zum Klubpräsidenten ernannt, die katalanische Fahne musste aus dem Vereinswappen entfernt werden und selbst der Name des Klubs wurde geändert. Eine breite Solidarisierung der Bevölkerung mit dem vor der Pleite stehenden FC Barcelona war die Folge.
Nicht nur dem Lokalrivalen Espanyol Barcelona, aus dessen Fanbasis sich während des Bürgerkrieges eine nicht unerhebliche Anzahl an Mitgliedern der faschistischen Falange-Bewegung rekrutierte, sondern auch dem Hauptstadtklub Real Madrid wurde dagegen eine besonders große Nähe zum Franco-Regime nachgesagt. In der Saison 1942/43 beispielsweise hatte Barça das Hinspiel im Halbfinale des spanischen Pokals mit 3:0 gewonnen. Ein regimetreuer Sportjournalist interpretierte das ablehnende Verhalten der katalanischen Fans gegenüber Real Madrid als politischen Angriff auf den spanischen Zentralstaat. Vor dem Rückspiel in der Hauptstadt machte der Chef der Staatssicherheit den Gästespielern in deren Umkleidekabine klar, wer weiterkommen durfte und wer nicht. Am Ende gewann Real mit 11:1. Ebenfalls denkwürdig: der 5:0-Auswärtssieg Barças 1974 in Madrid, mit einem überragenden Johan Cruyff als Spielmacher, der an vier der fünf Tore beteiligt war. Für viele symbolisierte die Niederlage der Madrilenen das Ende des Franco-Regimes. Im Folgejahr starb der Diktator.
Schon bei seiner Entstehung 1899 war der FC Barcelona vor allem ein kosmopolitisches Unterfangen. Initiator der Vereinsgründung war der Schweizer Hans Gamper, erster Präsident wurde der Engländer Walter Wild. Das Barça-Motto »Més que un club« (Mehr als ein Club) entstand, weil der FC Barcelona über die Jahre und Jahrzehnte seines Bestehens nicht nur ein Symbol für katalanische Autonomiebestrebungen wurde, sondern auch wegen seines sozialen Engagements. Vor allem aber entfaltete es seine Wirkmächtigeit wegen der Schönheit des offensiven Fußballs des Vereins. »Was diese Jungs können, ist magisch«, sagte einst der Opernsänger José Carreras über die Mannschaft. »Das ist Kunst.«
Dass sich Schönheit des Spiels und patriotische Politik, soziales Engagement und das kommerzielle Denken des modernen Fußballs zuweilen widersprechen, liegt in der Natur der Sache. Wer auf den spontanen Besuch eines mediokren Kicks mit moderaten Eintrittspreisen und ehrlicher Bratwurst aus ist – wogegen absolut nichts spricht – kann zu Espanyol gehen (dessen Stadion inzwischen nach einem Sponsoren benannt ist), wird aber auch in der fünften Liga fündig. Die anderen sind beim FC Barcelona an der richtigen Adresse. Dort wird der kosmopolitische Grundimpetus des Vereinsfußballs mit kosmopolitischen Teams auf den Begriff gebracht. Dort bringen die besten Spieler der Welt den besten Fußball der Welt auf den Rasen.