Pegida hetzt weiter

Die Saat geht auf

Gemeinsam mit seinen Anhängern feierte Lutz Bachmann am Montag den ersten Geburtstag seiner »Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« (Pegida). Doch gehetzt, gedroht und geprügelt wird nicht nur in Dresden – rechte Aufmärsche gibt es in Sachsen mittlerweile fast täglich.

Als »Invasoren«, »Flüchtlingsdarsteller« und »Moslemsaft« bezeichnete der Autor Akif Pirinçci, Hauptredner der Pegida-Kundgebung am Montag, Flüchtlinge. Seine Rede bildete einen neuen Höhepunkt rassistischer Hetze, am Rand der Kundgebung blieb es nicht bei verbaler Gewalt: Im Laufe des Abends kam es Medienberichten zufolge zu brutalen Übergriffen auf Antifaschisten, Journalisten und Ausländer. Seriösen Schätzungen zufolge marschierten etwa 15 000 Pegida-Demonstranten durch die Elbstadt.
Doch auch die Gegendemonstration brachte 15 000 Menschen auf die Straßen. Dabei hatte es lange Zeit so ausgesehen, als widerspräche in Dresden niemand mehr Pegida. Ihre Anhänger konnten ungestört Geflüchtete und Journalisten angreifen, den Hetztiraden von Lutz Bachmann und Tatjana Festerling zujubeln und auf Demonstrationen einen eigenwilligen Galgenhumor an den Tag legen. Schon seit Monaten profitieren sie von jener rassistischen Stimmung im Land, die sie gemeinsam mit der »Alternative für Deutschland« (AfD) selbst entfacht haben.
Längst scheinen sie mit ihren Parolen in den Parlamenten angekommen zu sein. Das vor einer Woche von Bundestag und Bundesrat verabschiedete Asylgesetzpaket setzt zahlreiche Forderungen der rechten Bewegung um: Etwa nach mehr »sicheren Herkunftsstaaten«, längerem Aufenthalt in Erstaufnahmeeinrichtungen und einer Rückkehr zum Sachleistungsprinzip. Ginge es nach der politischen Führung in Sachsen und Bayern, müssten weitere Verschärfungen folgen.

Ein Rückblick zeigt, dass die Erfolgsgeschichte von Pegida nicht linear verläuft. Ihrer ersten Kundgebung im Kampf gegen die »Islamisierung des Abendlandes« im Oktober 2014 schlossen sich lediglich 350 Menschen an. Doch mit jeder Montagsdemo wuchs die Zahl der Teilnehmer und kratzte bald an der Marke von 20 000. Erst ein interner Führungsstreit, der schließlich in der Abspaltung der Gruppe um Kathrin Oertel gipfelte, schien Pegida aufzuhalten. Im Juni waren es nur noch gut 2 000 Personen, die hören wollten, was Bachmann zu sagen hatte. Doch die Lage änderte sich wieder. Bereits in den ersten Oktoberwochen waren es wieder weit über 7 000 Pegida-Demonstranten. Nach langer Pause rief deshalb pünktlich zum ersten Geburtstag von Pegida ein breites Bündnis zum Protest in Dresden auf.
Leipzig galt lange Zeit als Vorreiter im Kampf gegen die Hetze, die sich dort »Legida« nennt. Zwar kamen außerhalb Dresdens nirgendwo so viele Pegidisten auf die Straße wie dort – bis zu 5 000 –, doch sahen diese sich auch regelmäßig Tausenden, anfangs sogar Zehntausenden Gegendemonstranten gegenüber. Als im Juni nur noch wenige Hundert Rassisten den Weg zu Legida fanden und die Demonstrationen vom Wochen- auf den Monatsrhythmus wechselten, schien deren Ende nahe. Doch auch in Leipzig bekam die Bewegung eneuen Schwung.
Seit Anfang September marschiert Legida wieder im Wochentakt und erhält dabei Zulauf von organisierten Neonazis und Hooligans. Eine gewalttätige Eskalation seitens dieses Klientels auf Grund einer erfolgreichen Blockade durch Gegendemonstranten deutete Legida kurzerhand in eine Art Notwehr um. Beim eigenen Anhang kommt das radikale Auftreten offenbar gut an. Knapp 1 000 von ihnen kommen derzeit regelmäßig in der Innenstadt zusammen, darunter Dutzende Mitglieder der Leipziger NPD, die mit einem Banner für ihre Kampagne »Unser Land« warben.

Während Legida so stark ist wie seit Anfang des Jahres nicht mehr, zeigen sich beim Gegenprotest deutliche Ermüdungserscheinungen. In der vergangenen Woche befand sich »No Legida« zum ersten Mal zahlenmäßig leicht in der Unterzahl. Das große Polizeiaufgebot von meist mehr als 1 000 Beamten macht es nahezu unmöglich, auf die Demonstrationsroute der Rassisten zu gelangen, um deren Aufzüge zu verhindern. Auch das häufig extrem harte Vorgehen der Polizisten dürfte zumindest bürgerliche Protestierer davon abschrecken, zivilen Ungehorsam zu zeigen. Nicht zuletzt gibt es in Leipzig seit Kurzem auch noch die »Offensive für Deutschland«, eine Art Abspaltung von Legida, die mit ihren nun wöchentlichen Kundgebungen Antirassisten an die Belastungsgrenze treibt.
Das System Pegida hat sich mittlerweile verselbständigt. Nicht mehr nur das Dresdner Original und seine Ableger bringen Hunderte bis Tausende Menschen auf die Straße. Auch ihr parlamentarisches Pendant AfD organisiert seit mehreren Wochen eigene Großkundgebungen, die sich offiziell gegen die Asylpolitik der Bundesregierung richten.
In Sachsen kommt es derzeit fast täglich zu rassistischen Aufmärschen. In Sebnitz beteiligten sich auf Initiative von Pegida etwa 2 500 Menschen an einer Kundgebung, die ursprünglich als »Menschenkette« geplant war, um die deutsche Grenze zu Tschechien zu »schützen«. In Schneeberg organisierte der NPD-Gemeinderat Stefan Hartung eine Demonstration unter dem Motto »Tradition statt Invasion« mit mehr als 1 000 Teilnehmern. Vor zwei Jahren war die Stadt im Erzgebirge bundesweit in die Schlagzeilen geraten, als etwa 2 000 Menschen mit Fackeln gegen eine geplante Asylunterkunft protestierten.
Um Stimmung gegen Asylsuchende zu machen und Flüchtlingswohnheime zu verhindern, haben die Rechten neben Demonstrationen, körperlichen Angriffen und Brandanschlägen noch eine weitere Aktionsform für sich entdeckt: die Blockade. Im Chemnitzer Stadtteil Einsiedel etwa, wo sich auch Mitglieder der Neonazipartei »Der III. Weg« an den von Pegida initiierten Protesten beteiligen, blockierten Anwohner mit Lastwagen die Zufahrt zu einer geplanten Asylunterkunft.
Im Stadtteil Markersdorf standen sich stundenlang Geflüchtete und rechtsextreme Demons­tranten an einer als Unterkunft geplanten Turnhalle gegenüber. Asylsuchende, die sich aus Furcht weigerten, dort einzuziehen, fanden zunächst in einer Kirchengemeinde Unterschlupf. Noch in derselben Nacht wurde diese mit Steinen attackiert. Die Angreifer verletzten dabei mehrere Menschen, darunter ein sieben Monate altes Kind. Anscheinend geht die von Pegida gepflanzte Saat des Hasses auf.