Das Album »La Di Da Di« der Band Battles

Das große Fressen

Auf dem jüngsten Album der verspielten Band Battles geht es schmackhaft zu.

Gewiss, manche Musik sollte man nicht auf leerem Magen genießen. Und bestimmte Tempi lassen uns schneller, nein, hastiger essen als andere. Aber wie eng ist die Verbindung zwischen kulinarischem und musikalischem Empfinden tatsächlich, vor allem im Bereich Pop?
Seit jeher gibt es Lieder und Stücke über das Essen. Vom folkloristischen Genusslied bis hin zu den Beatles, die ja immerhin über Trüffel, Erdbeeren, Zwiebeln und Kuchen sangen. Nicht zu vergessen: Tom Waits, wie er wieder mal des Nachts im Diner sinniert. Oder aber Kelis mit ihrem Hit »Milkshake«, nach dem alle »boys« verrückt sind. Die US-Amerikanerin muss als Musterbeispiel eines neuen Typus selbständiger Pop-Stars gelten. Kelis ist nämlich angesichts eines eigenen Kochbuchs, einer Saucen-Linie und einer TV-Kochshow mindestens ebenso sehr Food-Unternehmerin, wie sie Musikerin ist. Damit steht sie nicht allein: Auf dem Vice-TV-Kanal »Munchies« ist der Rapper Action Bronson der Star seiner eigenen Serie übers Essen; die Musiker Ólafur Arnalds, Seth Troxler oder Ata betreiben allesamt Restaurants oder Imbisse.
Das Essen dabei immer wieder dem Pop als zeitgemäßes Trägermedium dient, zeigt auch das jüngste Album des in New York und Berlin ansässigen Trios Battles. Denn das Nachdenken über Lebenslust und Verschwendung geht mit den rein instrumentalen Klängen ihres neuen Albums »La Di Da Di« bestens an den Gaumen.
Es handelt sich um das dritte Album der Band und das erste, das die beiden Multiinstrumentalisten Dave Konopka und Ian Williams mit John Stanier zu dritt aufgenommen haben. 2007, als das Debüt »Mirrored« erschien, war die Band noch zu viert: Tyondai Braxton wilderte ebenfalls durch den Instrumentenpark und lieh einigen Stücken seine extrem verzerrte Stimme. Konstruktiver Jazz-Rock war das, brachial-verspielt, aus groovenden Jams gezeugt, in schönster Digitalisierung zerfugt wie verspachtelt. Bei den Arbeiten am nachfolgenden Album »Gloss Drop« überwarf sich das Quartett allerdings. Braxton, der bereits zu Battles-Zeiten ein Soloalbum veröffentlicht hatte, stieg im laufenden Arbeitsprozess aus. In der Zwischenzeit hat er unter anderem am New Yorker Guggenheim-Museum eine performative Installation ausgestellt und mit Mouse on Mars auf Einladung André de Ridders an der Volksbühne Terry Rileys »In C« aufgeführt (Jungle World 37/15). Die verbliebenen Konopka, Williams und Stanier baten notgedrungen Matias Aguayo, Gary Numan, Kazu Makino und Yamantaka Eye vors Mikro, um das Album ­abzuschließen.
Wie verbrannt das Saitanschnitzel der Freundschaft zwischen dem Trio und ihrem Ex ist, wird offenkundig, wenn Ian Williams nun über die Entwicklung zwischen »Gloss Drop« und »La Di Da Di« spricht: »Die beiden Alben haben für mich nicht so viel miteinander zu tun, sind sie doch unter komplett verschiedenen Umständen entstanden. ›Gloss Drop‹ hatten wir ja bereits mit jemandem als Sänger geschrieben, aber dann ging diese Person und wir haben das Album einfach mit anderen Leuten vollendet.« Williams sitzt mit Kollege Dave Konopka in Berlin-Friedrichshain. Ausgerechnet der von New York nach Berlin verzogene John Stanier fehlt allerdings: Hochzeitstag.
Als Schlagzeuger und Gründungsmitglied der Hardcore-Band Helmet und Ex-Mitglied bei Mike Pattons Tomahawk ist Stanier zwar der Bekannteste des Trios, Konopka gibt der Band als Grafiker aber erst ein Gesicht. Sowohl die Cover-Gestaltung von »Gloss Drop« als auch von »La Di Da Di« stammt aus seinen Händen. Da es bei einer Instrumentalband umso mehr Subtext gibt, lohnt ein genauerer Blick: »Bei dem Artwork von ›Gloss Drop‹ wusste ich genau, was ich erreichen wollte – nur nicht wie«, erinnert er sich. »Am Ende habe ich einfach diese pinke Masse aufgetragen.« Und die sah dann verdächtig wie jene ekelerregende Auspressung aus, von der 2010 eine Videoaufnahme durchs Internet gereicht wurde: mechanisch gründlichst zerkleinertes Huhn – mit Haut und Knochen –, aus dem industrielle Billig-Chicken-Nuggets geformt werden sollten. Die Verbindung war nur bedingt beabsichtigt: »Es handelte sich um eine anonyme Masse, die zu unserer Repräsentation als anonyme Band heranwuchs.« Dennoch war Konopka gewissermaßen auf den Geschmack gekommen.
Das optische Sujet für »La Di Da Di« hat er schon auf den Battles-Tourplakaten ausprobiert: mit Pasta übergossene Hot Dogs zu verschmierter Soße, wie Plastik aussehender Broiler. Auf dem aktuellen Albumcover türmt sich nun ein Pfannkuchenturm nebst einer von einer Banane durchstochenen Wassermelonenscheibe zu Spiegelei an festem Sahneschaum mit einer Auswahl von gewürfeltem Obst. Lecker, oder?
Den Gruß aus der Küche erklärt der Chef wie folgt: »Dieses Mal benutze ich Essen bewusst als Medium. Dadurch, dass ich es so stark miteinander verschränke, dass es jeder erkennt, aber keiner essen will, schaffe ich eine weitere Nanowahrnehmung innerhalb des ganzen musikalisch-visuellen Reizgebildes. Da ist plötzlich eine Art Geschmack.« Außerdem bestehe eine Vielzahl brückenschlagender Analogien zwischen Musik und Essen, über das Versalzen einer Suppe bis hin zum Kochen eines Eintopfs. Und überhaupt: »Heute sind Köche die großen Rockstars. Diese Food-TV-Sender sind heute beliebter als MTV«, so Konopka.
Dazu muss man ergänzen, dass das Essen in Zeiten sozialer Medien und Bilderwelten plötzlich für die Individualisierungsmaschine Pop greifbar geworden ist, denn die Empfängerseite kocht, knipst, isst und zahlt kräftig mit. Die neuen Codes sind die richtige Inszenierung des morgendlichen Müsli, der Flyer für den nächsten Streetfood-Market oder die Adresse der richtigen Burger-Braterei. Dass sich dabei weder Umwelt noch Gesundheit mit drei- bis viermal noch so glücklichem Bio-Rinderhack in der Woche schonen lassen, wird geflissentlich ignoriert. Den regionalen Nahrungsmittelkrisen dieser Welt, die tatsächlich eine einzige globale Verteilungs- und Marktkrise ergeben, steht der Food-Hype in einem selbstvergessenen Zynismus gegenüber. Ungewillt, außerhalb der Fairtrade-Feelgood-Attitüde die Spielregeln der Überflussgesellschaft zu verändern. Die Battles’sche Dekonstruktion eines Frühstückbuffets erweist sich so als kritische Spiegelung.
»Meine Generation nannte man die Slacker-Generation«, nimmt Ian Williams den Gedanken auf. »Das war ein Gegenentwurf zu diesem auf Geld, Erfolg und Eigenheim ausgerichteten Typ Mensch, dem Yuppie. Heute benutzt man das Wort nicht mehr, aber der Hipster der Gegenwart mag genau die gleichen Sachen: das neue iPhone, gesundes Essen, Kokain. Nur sucht er noch immer einen Ausweg aus der Arbeit heraus.« Gewissermaßen sei also auch er, Williams, ein Hipster, klar, habe er sich doch als Musiker für ein vermeintliches Leben ohne Arbeit entschieden. Dumm nur, dass man eben auch als solcher wie blöde arbeitet.
Wie klingt nun also »La Di Da Di«? Wie bei einem großen Festmahl üblich, stand auch hier am Anfang der Ikea-Besuch, sprich, eine Aufstockung der Ausstattung. Dave Konopka legte sich weitere Effektpedale zu, Williams arbeitete sich tiefer in Studiosoftware ein. Jam-Sessions ebneten den Weg in die finalen zwölf Stücke. Es ist das bislang in sich geschlossenste, stimmigste Album der Band geworden. Eine kleine Legowelt voller Anleihen von der Roboter-Kavallerie bis Santa Claus. Motive werden immer straight von vorne etabliert, oft arbeitet man mit Wiederholungen und Nuancenverschiebungen. Und wenn die Gitarre mal ein bisschen phallische Rock ’n’ Roll-Ahnenverehrung ertragen muss, so wird doch gleich wieder auf ihren Saiten herumgeklimpert, als ob man nachts betrunken das Barpiano gestürmt hätte.
»La Di Da Di« macht Spaß, weil Battles deutlich hörbar auf jede einzelne Idee vertrauen und diese nicht mit weiteren überfrachten. Eine schier endlose Abfolge stets anderer Tapas wird da serviert, mit dem Mut, auch mal klischeebefreit etwas Fruchtiges dazwischenzuschieben.
»Die heutige Musik ist zumeist maximalisiert. Wir versuchen, einen Schritt zur Seite zu treten und mit einer anderen Geschwindigkeit zu arbeiten«, meint Ian Williams. »Da wir Battles sind, klingt dieser Vergleich natürlich so, als ob dir ein 400-Kilo-Mann sagt, dass er jetzt auf Diät ist und nur noch knapp 300 Kilo wiegt.«

Battles: La Di Da Di (Warp/Rough Trade)