Die öffentliche Entpolitisierung rechter Gewalt

Kein Rassismus, ­nirgends

Nicht erst das Messerattentat von Köln zeigt: Rechte Gewalt wird nur allzu gerne entpolitisiert. Kein Wunder, sind sich doch »besorgte Bürger« und staatliche Stellen in ihrem Rassismus meist ziemlich einig.

In Deutschland ist man bekanntlich nicht rassistisch, sondern besorgt. Zum Beispiel um die Kinder, wie etwa im Dresdner Stadtteil Prohlis. Dort hielten Eltern 220 von 245 Schülern vom Unterricht fern, um die Unterbringung von Flüchtlingen im Nebengebäude einer Schule zu verhindern. Kurz darauf zündeten Unbekannte die geplante Unterkunft an. Die ist zwar jetzt auch für die Schule nicht mehr nutzbar, aber dafür sehen die Schüler anhand der Brandruine nun jeden Tag, wie sehr ihr Wohlergehen den Erwachsenen am Herzen liegt. Dass Asylsuchende in Deutschland sehr viel besser begründeten Anlass zur Sorge um ihre Kinder haben, zeigt ein Fall aus Berlin: Dort verschwand Anfang Oktober ein vierjähriger Junge vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales, wo Hunderte Menschen darauf warten, einen Asylantrag zu stellen. Anstatt eine sofortige Fahndung einzuleiten, verdächtigte die Polizei zunächst die Mutter, mit ihren Aussagen eine Abschiebung verhindern zu wollen. Ihr wurde erst geglaubt, nachdem aus Videoaufzeichnungen hervorging, dass der Junge an der Hand eines – vermutlich deutschen – Unbekannten das Gelände verlassen hatte. Von dem Kind fehlt weiterhin jede Spur, eine Verbindung zum organisierten Kindesmissbrauch wird befürchtet.
Der Reflex der Beamten, bei Verbrechen gegen Nichtdeutsche erst einmal die Angehörigen zu verdächtigen, folgt dem Muster, das von den vorgeblichen Ermittlungen im Fall der NSU-Morde bekannt ist, und von dem auch Opfer weniger schlagzeilenträchtiger rechter Gewalttaten immer wieder berichten. Aber nicht nur die Polizei zeigt beachtliches Talent, Rassismus (nicht zuletzt den eigenen) nach Kräften zu ignorieren. Die Bundesregierung etwa sieht keinen institutionellen Rassismus bei der Polizei, wie sie auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei erklärte. Vielmehr handele es sich um »subjektiv als unberechtigt empfundene polizeiliche Maßnahmen«, bei denen »im Einzelfall fälschlicherweise der Eindruck« habe entstehen können, Betroffene seien wegen ihrer Hautfarbe oder anderer äußerer Merkmale in den Fokus der Polizei geraten. Und als Anfang des Monats nach der Brandstiftung in einem geplanten Flüchtlingsheim im sauerländischen Altena zwei dringend Tatverdächtige ermittelt worden waren, befand die Staatsanwaltschaft, die beiden seien »nicht rechtsradikal«, sondern hätten »Angst vor Flüchtlingen in der Nachbarschaft« gehabt. (Was @Bediko auf Twitter zu der naheliegenden Frage veranlasste: »Hab ich das eigentlich richtig verstanden, dass man jetzt Polizeiwachen anzünden darf, wenn man Angst vor der Polizei hat?«).
Wo nicht sein darf, was nicht sein kann, da passt es auch ins Bild, dass der Attentäter, der am Samstag die Kölner Bürgermeisterkandidatin Henriette Reker niederstach, nach seiner Verhaftung zunächst einmal psychiatrisch untersucht wurde – er hatte bei der Tat ja nicht »Allahu akbar«, sondern irgendwas mit »Messias« gerufen. Und als sich die Nazi-Vita des Mannes nun wirklich nicht mehr wegdefinieren ließ, fiel Innenminister Thomas de Maizière keine bessere Formulierung ein, als von einer »Radikalisierung der Flüchtlingsdebatte« zu sprechen.
Man sehnt sich in Zeiten zurück, in denen der antifaschistische Diskussionsbeitrag dazu in einem Farbbeutel mitten ins Gesicht des Ministers bestanden hätte.