Skaterpark

Es gibt nicht mehr viele Abenteuer in unserer durch und durch durchrationalisierten Welt, und die meisten, die da verblieben sind, beziehen sich auf die Abgabe von Steuererklärungen und das Haltbarkeitsdatum von Lebensmitteln. Deswegen fühle ich mich mit meiner neuen Tasche gerade sehr verwegen, ja tollkühn – eventuell bringt sie mich nämlich in Schwierigkeiten. Ich erstand sie, weil meine alte Ledertasche, die mir Stefan Gärtner und Gemahlin einst zum Geburtstag schenkten, auseinandergefallen war, und weil mich das Schild »SALE! JETZT!« in seiner drolligen Idiotie wie magisch in den Laden zwang. Der erwies sich dann als Laden für coole Jungs, vornehmlich, wenn mich nicht alles täuscht, Skater. (Jedenfalls nannte man sie in meiner Jugend so, außerdem gibt es einen gleichnamigen schwulen Fetisch, der ausnahms­weise und gottseidank genau das beinhaltet, was der Name sagt.) Jetzt war ich zwar noch niemals cool und will es auch nicht werden, aber der unwiderstehlich niedrige Preis bewog mich, eine Tasche der Marke »Dakine« zu erwerben. Keine Ahnung, was das bedeutet, welche Botschaften ich damit kommuniziere! Möglich, dass diese Tasche gar nicht von Skatern, »Skatern« (schwul) oder Kommunisten getragen werden darf, sondern Kennzeichen einer ganz und gar widerwärtigen Skater-Subsubkultur darstellt. Zum Beispiel Skaternazis! Oder Naziskater! Oder vielleicht Skater, die schlechte Musik hören. Oder saturierte Kolumnisten, die mit ihrer schwindenden Jugendlichkeit kokettieren! Ich weiß schlichtweg nicht, wer mich auf der Straße wie ansprechen, wer die Augenbrauen lüpfen, wer wohlwollend nicken wird. Und wenn sie mich meiner Tasche wegen aus der Stadt werfen, dann weiß ich, dass ich als Märtyrer sterbe: für das Recht auf subkulturelle Unbedarftheit.