Berlin Beatet Bestes. Folge 311

Typen mit eingeschlagenen Fressen

Berlin Beatet Bestes. Folge 311. Diverse spanische EPs.

Punkmäßig war auf der Spanienreise irgendwie von Anfang an der Wurm drin. Am ersten Abend verpasste ich das Konzert von La Urss im CSO Transformadores Squat. Als würde der Laden mir eine lange Nase zeigen, spazierten wir auf dem Weg zum Parkhaus genau an ihm vorbei. Und ich Idiot entschied mich, nicht hinzugehen! Es war der erste Abend, eigentlich waren wir in den Bergen, ich hatte keinen Pennplatz, kein Handy und wusste nicht mal, wo ich überhaupt war. Das war der erste Fehler. Manchmal musst du einfach etwas riskieren. Hätte schon irgendwie hingehauen. Die Gelegenheit, La Urss, derzeit Barcelonas beste Punk-Band, in Barcelona in einem Squat zu sehen, habe ich jedenfalls versäumt. Wer sich den mitreißenden, melodiösen Punk-Rock von La Urss bei Bandcamp anhört, wird erahnen können, dass die Band live noch um ­einiges druckvoller und überzeugender ist. Aaarrrrggh! Mist. Und so ging es dann weiter.
Ein paar Tage später bezahlte ich 25 Euro Eintritt für ein Konzert der Band Refused, nur weil ich die Nacht in Barcelona verbrachte und gerade nichts anderes vorhatte. Zwei Redakteure der Jungle World suchte ich unter den 500 kurzhaarigen, graumelierten Männern in schwarzen T-Shirts vergeblich. Wir standen die ganze Zeit wenige Meter voneinander entfernt, ohne uns zu sehen. Die Männer sangen jeden Song mit und schubsten sich rum. Ich fand die Show und Musik der langhaarigen und ­Anzug tragenden Refused grausam langweilig. Schon das Regenbogenlicht auf der Bühne beleidigte meine Sinne. Glücklicherweise fanden wir uns dann zumindest nach dem Konzert und gingen noch etwas ­essen.
Auch mein Besuch im Punkplattenladen Dead Moon war nicht hundertprozentig erfolgreich. Ich fragte zwar nach Bands und Singles aus Barcelona und kaufte auch nur solche, leider waren das aber nicht unbedingt die allerneuesten. Die beiden EPs »Sencill De 6 Cançons« (2007) und »España Y Mierda« (2009) der utraflotten Hardcore-Punk-Band Über kannte ich bereits, als sie vor einigen Jahren Barcelonas neuestes und heißestes Punk-Ding und ihre Singles nicht zu kriegen waren. Den aggressiven Punk der Band Glam hatte ich ebenfalls schonmal gehört. Wenn sich ihre 7”, veröffentlicht 2010 auf dem britischen Label La Vida Es Un Mus, nicht sogar bereits irgendwo in meiner Sammlung versteckt. Etwas neuer ist »Una Bèstia Incontrolable«, deren 7” im vergangenen Jahr auf dem renommierten US-Label Iron Lung erschienen ist. Ihre zwei dunklen, treibenden Post-Punk-Songs werden passenderweise auf Katalanisch vorgetragen. Kommt noch dunkler!
Beim gemeinsamen Plattenhören an einem der letzten Abende in den Bergen gab es einen unbestrittenen Favoriten: das Cover der Alerta!/Amenaca-Split-Flexi! Über die Zeichnung der zwei Punker mussten wir immer wieder so ­lachen! Nun gut, der Hardcore-Punk der beiden Bands ist zwar überzeugend, reißt aber nicht wirklich vom Hocker. Aber das Cover! Diese Typen mit eingeschlagenen Fressen! Herrlich! Vier Euro, die sich wirklich gelohnt haben.
Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.