Alnatura in Bremen betreibt Union Busting

Betriebsräte sind nicht bio

In einer Bremer Filiale der Biosupermarktkette Alnatura ist die Gründung eines Betriebsrats nicht erwünscht. Mitarbeiter und Gewerkschafter wollen gegen den Konzern vorgehen.

Auch wenn das Image anderes versprechen soll: Biosupermärkte haben die gleichen Interessen wie alle kapitalistischen Unternehmen. Was in den vergangenen Jahren insbesondere an Discounterketten kritisiert wurde, sieht in einer Bremer Filiale der Firma Alnatura offenbar nicht besser aus, wie in der vergangenen Woche ein Bericht der Fernsehsendung »Buten und binnen« zeigte. Ein Betriebsrat scheint dort nicht erwünscht zu sein, weshalb mittels Schikane die Entstehung einer solchen Arbeitervertretung verhindert werden soll, so die Sendung von Radio Bremen.
Am Donnerstag vor zwei Wochen sollte in der Alnatura-Filiale in der Faulenstraße ein Wahlvorstand aufgestellt werden, um die erstmalige Wahl eines Betriebsrates zu organisieren. Schon zuvor war in internen Gesprächen verbreitet worden, die Filialleitung sei nicht begeistert von der ganzen Idee. Überaus kurzfristig, nämlich während der Verteilung der Wahlzettel, habe die Filialleitung dann zusätzlich zu den zuvor nominierten fünf noch drei weitere Kandidaten für den Vorstand aufgestellt, berichtet ein Mitarbeiter im Gespräch mit der Jungle World. Von diesen seien zwei auch führend in der Filiale tätig, der dritte habe sich in vorangegangenen Gesprächen offen gegen einen Betriebsrat ausgesprochen. Dadurch wurde eine größere Verteilung der Stimmen bei der Wahl erzielt, keiner der Kandidaten erhielt so die gesetzlich vorgeschriebene absolute Mehrheit. Es konnte kein Wahlvorstand gebildet und somit kein Betriebsrat gewählt werden.

Dieses taktische Manöver habe recht offensichtlich in Abstimmung mit dem Gebietsverantwortlichen für den Raum Norddeutschland stattgefunden, so der Mitarbeiter. Als leitender Angestellter habe der Gebietsverantwortliche zwar während der Wahl nicht in der Filiale anwesend sein dürfen. Er habe sich allerdings in der Zeit vor dem Laden aufgehalten und während der Pausen mit einigen Mitarbeitern gesprochen.
Schon vor einigen Jahren hatte sich in Freiburg erstmals ein Betriebsrat in einer Alnatura-Filiale gegründet. Sollte es in Bremen künftig einen zweiten geben, entstünde dadurch für die Belegschaft der Anspruch auf einen Gesamtbetriebsrat. Dass ein solcher nicht erwünscht ist, zeigt sich schon daran, dass die Existenz des Freiburger Betriebsrats in den regelmäßigen internen Mitteilungen des Unternehmens an seine Mitarbeiter nie erwähnt wird. Tatsächlich müsste die Konzernleitung angesichts einer derartigen innerbetrieblichen Interessenvertretung der Beschäftigten auch fürchten, erneut und verstärkt mit der Forderung nach einem Tarifvertrag konfrontiert zu werden. Denn obwohl 2010 nach einigen kritischen Medienberichten über die untertarifliche Bezahlung von Angestellten innerhalb kurzer Zeit eine Angleichung der Löhne an die im Einzelhandel geltenden Tariflöhne erfolgte, gibt es bei Alnatura nach wie vor keine vertraglich festgelegten und somit einklagbaren Vereinbarungen – wie bei vielen anderen Biounternehmen auch. Nicht allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern genügen die Seminare und Kurse, die Alnatura seinen Angestellten anbietet und die Unternehmensleiter und -gründer Götz Rehn schon damals als Argument bemühte, weshalb die Bezahlung bei Alnatura nicht mit der im herkömmlichen Einzelhandel vergleichbar sei.
Auch Kai Wargalla sind Kurse und Seminare nicht genug. Sie war eine der Initiatorinnen der Wahl und dokumentierte auf Facebook und Twitter das Verhalten der Geschäftsführung. Unter anderem veröffentlichte sie auf Facebook ein Foto der offiziellen Begründung für den vorgezogenen Ladenschluss am Tag der Wahl des Vorstands. Der Kundschaft wurde in einem Aushang mitgeteilt, dass eine technische Störung vorliege.
Seit die Presse über das Thema berichtet, sei das Klima im Betrieb nicht gerade besser geworden, sagt Wargalla. Solidarität hingegen erfahre die Belegschaft von den Kunden. Am Tag nach dem Bericht bei »Buten und binnen« hätten sich bereits einige direkt bei der Filialleitung beschwert. Wargalla und ihre Mitstreiterinnen haben nun ein Anwaltsbüro eingeschaltet, um mit Hilfe des Arbeitsgerichts die Einsetzung eines Wahlvorstandes zu erreichen. »Wir haben auch auf der Wahlversammlung offen gesagt: Wenn wir das jetzt heute nicht schaffen, dann gehen wir den rechtlichen Weg«, so Wargalla. »Das Betriebsverfassungsgesetz ist da eindeutig: Ein Betriebsrat ist einzusetzen.« Daher muss Alnatura auch die nun entstehenden Kosten übernehmen.

Weitere Unterstützung erhalten die Angestellten von der Gewerkschaft Verdi. Deren Mitarbeiterin Sandra Schmidt, die auch am Tag der geplatzten Wahl anwesend war, warf dem Konzern im Interview mit Radio Bremen unter anderem vor, in einer offiziellen Stellungnahme die Tatsachen verzerrt zu haben. In dieser heißt es: »Es ist richtig, dass sich die Mitarbeiter unserer Filiale in Bremen in der vergangenen Woche gegen die Wahl eines Betriebsrats ausgesprochen haben. Sollte sich dies in Zukunft ändern, stehen wir diesem Wunsch selbstverständlich offen gegenüber.«
Zudem steht für Schmidt und für die engagierten Mitarbeiter das Vorgehen der Geschäftsführung in eklatantem Missverhältnis zum betont menschenfreundlichen Image des Konzerns. Die Taktiken, mit denen versucht werde, die Verpflichtung zur Wahrung von Arbeitnehmerrechten zu umgehen, unterschieden sich nicht im Geringsten von denen einschlägig bekannter Discounter. Für die Jungle World war die Pressestelle des Ökokonzerns bis zum Redaktionsschluss nicht für eine Stellungnahme erreichbar.