Hamed Abdel-Samad stellt sein neues Buch bei der AfD vor

Auf Abwegen

Der deutsch-ägyptische Politologe Hamed Abdel-Samad hat keine Berührungsängste mit rechten Parteien und Publikationen.

Religionskritik ist Aufklärung. Nichts damit zu tun hat das Ressentiment, dem es nicht um die Emanzipation des Menschen, sondern um Unterwerfung und Verwertung geht. Schopenhauer verabscheute das Christentum als jüdisch und als schuld an der Tierquälerei, Nietzsche stänkerte gegen Juden- und Christentum, die mit ihrer Sklavenmoral die Herrenmenschen gefesselt hätten, die Völkischen verwarfen »orientalische« Religionen als artfremd. Für »Neue Atheisten« wie Dawkins ist der Mensch ein von egoistischen Genen gesteuerter Roboter und der Bioethiker Peter Singer greift die humanistische Idee von der Heiligkeit des Lebens an, weil sie Euthanasie und Menschenzucht entgegensteht.
Bei aller Kritik an den Kirchen, das Heidentum war und ist kein Spaß, wie es Parolen aus den Reihen der Giordano-Bruno-Stiftung verkünden, sowenig wie die neuheidnischen Germanenkulte der Völkischen. Kritik am Judentum, die das Klischee vom blutrünstigen, patriarchalen, aggressiven Gott aufgreift, ist falsch und antisemitisch. Wer den Islam kritisiert, muss zugleich Rassisten bekämpfen, die heute Muslime statt Kanaken sagen, aber das Gleiche meinen: Ausländer raus.

Die Grenze zwischen Religionskritik und Ressentiment hat Hamed Abdel-Samad längst überschritten. Der talkshowgestählte Bestsellerautor und Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung tritt jetzt bei der Alternative für Deutschland (AfD) auf und nennt es offene Diskussionskultur. Der Sprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, Michael Schmidt-Salomon, wies Kritik als »Vorverurteilungen« zurück. Im Juni wollte Abdel-Samad bei der Burschenschaft Germania in Marburg sprechen, bevor beide Seiten absagten. Angeblich wusste er nicht, wofür die schlagende Verbindung steht und erkundigte sich beim Verfassungsschutz sowie beim Zentralrat der Juden in Deutschland. Das klingt, als habe er einen Persilschein erwartet. Der Jungen Freiheit stand Abdel-Samad als Gastautor zur Verfügung. Als Interviewpartner der rechten Wochenzeitung nahm er rassistische Strömungen in Schutz und verteidigte Thilo Sarrazin und Akif Pirinçci. »Jede Sorge über Islamisierung ist berechtigt«, findet er. Sein aktuelles Buch über Mohamed dürfte Wutbürger und Neonazis in ihren Sorgen bestätigen, wenn doch schon der Prophet ein Serienvergewaltiger und Kindesmissbraucher war.
Ähnlich schlicht gestrickt ist Abdel-Samads vorheriger Bestseller »Der islamische Faschismus«. Was er über die Verbindungen der Nationalsozialisten zu den Muslimbrüdern oder zu Amin al-Husseini, dem Mufti von Jerusalem, schreibt, haben andere längst besser dargestellt, etwa Claus Mallmann und Martin Cüppers in ihrer Studie. Es stimmt, dass Islamismus und Islam nicht getrennt werden können, sowenig wie Kreuzzüge und Inquisition vom Christentum, und man kann den Islamismus mit guten Gründen als Variante des Faschismus bezeichnen. Bloß ist für Abdel-Samad fast alles Faschismus.
Das trübt die Analyse und relativiert die Verbrechen der Deutschen während der NS-Zeit. Faschismus das sind für Abdel-Samad die Nazis, die Kommunisten und die Islamisten. Mit Bezug auf den rechten Historiker Ernst Nolte spricht er von drei Widerstandsbewegungen gegen die Moderne. Zum Faschismus rechnen für Abdel-Samad auch die monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam. Den Ursprung des Faschismus macht er im Alten Testament aus: Abraham ist bereit, seinen Sohn Isaak zu opfern, weil er die Befehle seines Führers ausführte, ohne sie in Frage zu stellen. Ein früher SS-Henker gewissermaßen. Sind also doch die Juden selber schuld, wenn sie sich so einen gewalttätigen Gott ausgedacht haben?
Das Bild vom durchweg faschistischen Islam hält Abdel-Samad selbst nicht durch. Er rühmt die Toleranz der Kalifen, ohne zu erklären, wer zuvor mit dem »Urfaschismus« der islamischen Gründungsperiode gebrochen hätte. Dafür weiß er genau, warum diese freizügige Epoche des ­Islam endete. Die Türken sind schuld mit ihrem menschenverachtenden Frauenbild. Das wird das Publikum von AfD, Burschenschaften und Junger Freiheit gerne hören.