Das Referendum in der Republik Kongo

Bestimmen bis zum Umfallen

In der Republik Kongo hat sich der autokratische Präsident durch ein verfassungsänderndes Referendum seine Macht für viele Jahre gesichert. Die Opposition protestiert dagegen.

Die Zahlen sind beeindruckend: Die offizielle Wahlbeteiligung lag bei 72 Prozent und die offizielle Zustimmungsrate zu den Änderungen am Verfassungstext gar bei 93 Prozent. Im Referendum vom 25. Oktober in der Republik Kongo (Kongo-Brazzaville) wurde darüber abgestimmt, ob es dem seit 1997 amtierenden Staatspräsidenten Denis Sassou-Nguesso rechtlich erlaubt sein soll, noch bis 2031 an der Macht zu bleiben, sofern er dies wünscht und gesundheitlich dazu in der Lage ist. Doch glaubwürdig sind diese Prozentzahlen keineswegs, die beobachtbare Wirklichkeit widerspricht den offiziellen Angaben. Bürgerrechts- und Oppositionsgruppen gehen von einer Wahlbeteiligung zwischen fünf und zehn Prozent aus. In mehreren Bezirken des Landes wie Le Pool und Les Plateaux ließen die zuständigen Behördenleiter, die Präfekten, die Wahllokale nachweislich bereits um 13 respektive 14 Uhr schließen statt am frühen Abend, weil dort gähnende Leere herrschte.

Die Stimmberechtigten sollten die vom Regime Sassou-Nguessos vorgelegte Verfassungsnovelle formal absegnen. Hübsch verpackt war das Ansinnen: Die bisherige Präsidialrepublik soll in ein »halbpräsidiales« Regime umgewandelt werden, der Premierminister mehr Vollmachten erhalten, so die offizielle Begründung des Vorhabens. Doch niemand ist sich darüber im Unklaren, worum es in Wirklichkeit ging. Denn die Änderungen heben auch die bisherige Altersgrenze für Präsidentschaftskandidaten (70 Jahre) sowie die derzeit geltende Begrenzung auf zwei Amtszeiten auf. Sassou-Ngessou wird bald 72 und hat seit der letzten Verfassungsänderung bereits zwei Amtszeiten hinter sich.

Dass er nicht genügend Zeit an der Macht verbracht hat, um seine Vorhaben durchzusetzen, lässt sich wahrlich nicht behaupten. Sassou-Ngessou gründete 1969, als prosowjetischer Marxist-Leninist auftretend, die damalige Staatspartei »Kongolesische Arbeitspartei« (PCT). Von 1979 bis 1992 stand er bereits an der Spitze des Staates. Nach dem Ende der Blockkonfrontation wandelte er sich vom Pseudomarxisten zum Wirtschaftsliberalen. Nach einem kurzen Intermezzo fern des Präsidentenpalasts putschte er 1997 gegen den Amtsinhaber Pascal Lissouba und wurde erneut Staatsoberhaupt. Unterstützung erhielt er dabei von der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich, insbesondere aber von dem in La Défense bei Paris ansässigen Erdölkonzern Elf – inzwischen Total –, in dessen Hauptquartier ein eigener Krisenstab zur Lage im erdölreichen Kongo-Brazzaville eingesetzt wurde. Sassou-Ngessou annullierte etwa ein Vorhaben seines Vorgängers Lissouba, die Staatsquote bei den Einnahmen aus dem im Land geförderten Erdöl von 17 auf 35 Prozent zu erhöhen. Der Putsch löste einen blutigen Bürgerkrieg mit bis zu 40 000 Toten aus.

Die Opposition im Land wurde lange terrorisiert und eingeschüchtert. Doch nun ist sie zu neuem Leben erwacht. Am 27. September demonstrierten 25 000 Menschen in der Hauptstadt Brazzaville gegen die geplante Verfassungsänderung zugunsten Sassou-Ngessous. Die Opposition, der sich in den Wochen zuvor auch einige ehemalige Minister des Regimes anschlossen, stellte ihm daraufhin ein Ultimatum bis zum 20. Oktober, um sein Vorhaben zurückzuziehen.

An jenem Tag kam es in Brazzaville zu schweren Zusammenstößen zwischen Protestierenden und der Polizei. Die Angaben reichen von vier Toten – eine Mindestzahl, die den internationalen Nachrichtenagenturen als gesichert gilt – bis zu 30 Toten. Daraufhin sagte die Opposition ihre für den Freitag vor dem Referendum geplanten Protestmärsche ab. Inzwischen hat die Opposition unter anderem einen »Widerstandsrat« gebildet und zu weiteren Protesten mobilisiert. Seit Montag wird zur »Operation tote Städte« aufgerufen – Protestaktionen mit geschlossenen Geschäften und Fensterläden. Am Donnerstag soll erneut demonstriert werden.

Unterstützung, wenn auch unstete, erhält das Regime aus Frankreich. Die sozialdemokratische Regierung hatte den Autokraten Sassou-Ngessou zunächst offiziell aufgefordert, von seinem Vorhaben abzusehen, auch wenn Frankreich ihn de facto in Ruhe lässt. Am 21. Oktober empfing der französische Außenminister, Laurent Fabius, dann jedoch seinen kongolesischen Amtskollegen, Jean-Claude Gakosso. Am selben Tag unterstützte der französische Staatspräsident François Hollande das Vorhaben Sassou-Ngessous, indem er am Rande einer Pressekonferenz sagte: »Präsident Sassou kann sein Volk konsultieren, das ist sein Recht, und das Volk muss antworten.«

Dafür erfuhr er heftige Kritik auch in den eigenen Reihen. Nach Ablauf des Referendums erklärte das französische Außenministerium zunächst, man nehme dieses »zur Kenntnis«. Kurz darauf hieß es, die Modalitäten seiner Abhaltung erlaubten es nicht, »die Resultate zu verifizieren«, was eine Nichtanerkennung des Ergebnisses bedeutet.