Die Chemnitzer NS-Boys

Für Volk, Reich und Palästina

Die umtriebige rechtsextreme Chemnitzer Ultra-Gruppierung NS-Boys ist Teil eines Netzwerks, zu dem auch Cottbuser, Leipziger und Züricher Kameraden gehören.

Verpixeltes Gesicht, Anglermütze auf dem Kopf und zwei Trommelstöcke in der Hand. So präsentierte sich in den sozialen Netzwerken ein Mitglied der rechtsextremen Chemnitzer Ultragruppierung New Society (NS-Boys) beim Spiel Energie Cottbus gegen Wehen Wiesbaden am 12. Spieltag in der Dritten Liga. Neben der Zaunfahne der Energie-Ultras vom Preußen-Kartell hängt eine neue Zaunfahne der NS-Boys mit dem altbekannten Konterfei eines Hitlerjungen aus den dreißiger Jahren. Das ist eigentlich ein Verstoß gegen die Regeln der Ultras. Es gilt als ungeschriebenes Gesetz, dass ein Fanclub der einmal seine Zaun­fahne verloren hat, sich auflösen muss. Doch die NS-Boys sind weiterhin aktiv.
Zum Verlust der Zaunfahne kam es bei einer Hausdurchsuchung. Im Frühjahr 2014 erließ das sächsische Innenministerium ein Vereinsverbot gegen die Nationalen Sozialisten Chemnitz (NSC). Bei einer Razzia im Vereinsheim der Rechtsextremisten wurden zahlreiche Beweismittel sichergestellt, unter anderem die Fahne der NS-Boys. Doch weder das Vereinsverbot gegen die Nationalen Sozialisten noch das Stadionverbot aus dem Jahre 2006 gegen die NS-Boys sowie einige ihrer Mitglieder zeigten Wirkung. Spielberichte und Fotos ihrer Zaunfahne, die auf ihrem Blog sowie in den sozialen Netzwerken gepostet wurden, zeugen von unzähligen Ausflügen und Stadionbesuchen der vergangenen Jahre. Die in ihren Heimstadien verbotenen Fangruppierungen besuchen häufig Auswärtsspiele der eigenen Mannschaft und Spiele jener Vereine, mit deren Fans sie freundschaftlich verbunden sind. Im Falle der Chemnitzer NS-Boys sind das zumindest zwei Vereine, Energie Cottbus und Grasshopper Zürich.
Engen Kontakt haben die Chemnitzer in Cottbus den Fangruppierungen Inferno Cottbus, WK13 Boys, Collectivo Bianco Rosso 02 sowie dem Preußen-Kartell und in Zürich zu den Blue White Bulldogs. Die personelle Verbindung zwischen diesen Gruppen ist die Grundlage für eine bemwerkenswerte grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen deutschen und schweizerischen Neonazis. Am 15. Februar 2014 marschierten rund 80 Neonazis aus beiden Ländern im schweizerischen Solothurn zu einer unangemeldeten Demonstartion auf. Sie trugen bei dem nächtlichen Umzug Fackeln und vermummten sich mit weißen Theatermasken. »Asylanten raus« stand auf dem Fronttransparent und in einem dazugehörigen Video war zu sehen, wie einer der Demonstranten einen Zettel mit der Aufschrift »Freiheit« über das Straßenschild in der Judengasse klebte. Im Internet jubelten deutsche Neonazis: »Unsterbliche marschieren durch Judengasse«.
Bekannt geworden mit dieser Aktionsform ist die 2012 vom brandenburgischen Innenministerium verbotene »Widerstandsbewegung in Südbrandenburg«. Im Rahmen der Verbotsverfügung kam ans Licht, dass die Behörden den Capo von Inferno Cottbus 1999, William Puder, der »Widerstandsbewegung« zurechnen. Darüber hinaus hatten Razzien in Cottbus und Chemnitz ergeben, dass die sogenannten Unsterblichen aus Deutschland seit einiger Zeit Kontakte nach Zürich pflegen. Ihren Hass auf Juden zeigen die Chemnitzer Fußballfans gern auch im Stadion. Während des Gaza-Krieges im vergangenen Jahr demonstrierten sie ihre Parteinahme eindeutig. Beim Auswärtsspiel des Chemnitzer FC gegen Fortuna Köln im August hing neben der Reichskriegsflagge und ihrer Zaunfahne auch die palästinensische Fahne.
Als Feinde betrachten die Cottbuser und Chemnitzer Kameraden hauptsächlich die Vereine Dynamo Dresden, Erzgebirge Aue und Babelsberg 03 sowie deren Anhänger. Die entsprechenden Spiele sind perfekte Anlässe, um dem Hass freien Lauf zu lassen. Anfang des Jahres veröffentlichten die NS-Boys in den sozialen Netzwerken eine Bildmontage. Sie zeigt den Auswärtsblock von Dynamo Dresden, in den die Flagge Israels hineinmontiert ist. Außerdem wurde der Schriftzug »Ultras Dynamo« auf einem Banner durch »Juden Dynamo« ersetzt und eine antisemitische Karikatur eingearbeitet. Vor dem Spiel Erzgebirge Aue gegen Dynamo Dresden sprühten Chemnitzer Fans 2013 den Schriftzug »Juden SGD« mit einem Davidstern zur Begrüßung der anreisenden Fans. Höhepunkt in den letzten Jahren war aber ein Banner des Cottbuser Anhangs. Beim Landespokalhalbfinale zwischen Babelsberg 03 und Energie Cottbus in Potsdam hing ein kleines Transparent mit der Aufschrift: »ZCKN, ZGNR & JDN« (Szenecode für »Zecken, Zigeuner & Juden«) im Auswärtsblock.
Den Hass auf Linke und Antifaschisten zelebrieren die Chemnitzer Fans gerne in der Öffentlichkeit. So verunglimpfen sie in den sozialen Netzwerken den inhaftierten Antifaschisten und Bremer Ultra Valentin, der am 19. April einen rechten Hooligan verprügelt haben soll. Das in Chemnitz gesprühte Graffiti »Fuck Valentin« wurde auf der Facebook-Seite der NS-Boys zusammen mit einem großen CFC-Bombing hochgeladen, das durch die Sprüche »Nur der CFC – Alle nach DD« sowie mit einem »Fuck Antifa« komplettiert wurde. Die tiefe Verwurzelung der NS-Boys in der ostdeutschen Neonaziszene zeigte darüber hinaus eine Solidaritätsaktion für den als Unterstützer des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) angeklagten Neonazi Ralf Wohlleben. Beim letzten Heimspiel der Saison 2014/15 des Chemnitzer FC gegen die SG Sonnenhof Großaspach beabsichtigten sie, eine Tapete mit der Aufschrift »Komme was da wolle – Dich kriegen sie nicht klein« im Block zu präsentieren. Da dies nicht möglich war, wurde nach dem Spiel mit rund 40 Personen ein Mobfoto geschossen und später in den sozialen Medien verbreitet. Schon im Dezember vorigen Jahres nutzten die NS-Boys ihre Face­book-Präsenz für einen Gruß an den inhaftierten Neonazi: »Trotz vieler Beamter (an dieser Stelle einen besonderen Gruß an ›Wolle‹) gab es eine kleine Pyroeinlage.«
Dass die NS-Boys alle Themen des Neonazismus bedienen, zeigte ein Posting am 5. März anlässlich des Jahrestages der Bombardierung von Chemnitz durch die Alliierten: »Den alliierten Mördern kein Vergeben und kein Vergessen für das, was sie unserem Volk angetan haben!!!« Die bisher alljährlich stattfindende Demonstration der Freie Nationalisten zum Thema fiel zwar aus, stattdessen aber laufen lokale Rechtsextremisten bei den Aufmärschen des Pegida-Ablegers in Chemnitz mit. Das sächsische Innenministerium zählte bei Cegida regelmäßig rund zehn »New Society«-Mitglieder. So »tauchen bekannte Szene-Angehörige bei den verschiedenen Formen von Anti-Asyl-Protesten auf. Sie sind mehrfach bei Veranstaltungen von ›Chemnitz stellt sich quer‹ bzw. ›Chemnitz wehrt sich‹ und bei öffentlichen Auftritten von Cegida/Erzgida beteiligt gewesen«, bestätigt auch das Kulturbüro Sachsen. Das Cottbus-Chemnitzer Netzwerk fährt zusammen mit Gleichgesinnten auch zu Länderspielen der deutschen Nationalmannschaft, ungeachtet der Tatsache, dass da mittlerweile Spieler mit beispielsweise türkischem Migrationshintergrund das Adlertrikot tragen. Hauptsache Schland.