Pegida darf nicht weitermachen

Verbieten muss erlaubt sein

Durften Sie als Kind auch die Wände Ihres Kinderzimmers mit Fingerfarben bemalen und später dann den WG-Putzplan ignorieren? Nein? Es gibt Regeln und Vereinbarungen über das Zusammenleben. Verbote gehören uncoolerweise dazu.

Seit rund einem Jahr versammeln sich in Dresden wöchentlich tausende Demonstranten, um gegen Asylbewerber, Muslime und Fremde im Allgemeinen zu demonstrieren. Sie organisieren sich im Netz und treffen sich bei ihren Kundgebungen, wo sie zu Hass und Gewalt aufrufen. Sie, das sind Mitglieder rechter und rechtsextremer Parteien, Hooligans, Querfrontler, autonome Nationalisten und Neue Rechte wie beispielsweise Götz Kubitschek. Alexander Gauland bezeichnet Pegida als »natürlichen Verbündeten« der AfD. Gegen mehrere Organisatoren und Redner laufen Strafverfahren wegen Volksverhetzung oder Bildung terroristischer Vereinigungen. Im Laufe des Jahres kam es zu einer weiteren Radikalisierung und zu organisierter Gewaltausübung aus dem Umfeld von Pegida. Der Politologe Hajo Funke sieht darin einen »Rechtsruck des rechten Randes«. Er befürchtet sogar neue Formen von rechtem Terror. Die Zahl rechter Gewalttaten jedenfalls stieg in den vergangenen Monaten bundesweit an. Kein Zufall auch, dass sich in unmittelbarer Nähe Dresdens Szenen ereignen wie die in Freital und Heidenau. Sachsen ist Dunkeldeutschland und der von Pegida bereitete Nährboden dafür ist ideal.

Pegida ist keine Partei, sondern ein Verein. Die Kundgebungen werden offenbar vom Verein finanziert und durch Spenden unterstützt. Während an das Verbot von Parteien auf Bundesebene sehr hohe Maßstäbe angelegt werden, funk­tioniert es bei Vereinen einfacher. Lediglich das Bundesverfassungsgericht ist berechtigt, Parteiverbote auf Antrag von Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung auszusprechen. Für ein Vereinsverbot ist eine Verfügung nach dem Vereinsgesetz notwendig. Die Grundlage dafür stellen meist die von Verfassungsschutzbehörden gesammelten Informationen dar. Im Falle von Pegida mangelt es daran sicher nicht.
In den fünfziger und sechziger Jahren wurden in Westdeutschland auf Grundlage des Vereinsrechts vor allem nationalsozialistische Nachfolgeorganisationen verboten. Anschließend wurde bis in die achtziger Jahre hinein weitgehend auf dieses Instrument verzichtet. Nach den Gewalt­taten von Mölln, Solingen und Hoyerswerda kam es erst zwischen 1992 und 1995 wieder zu Verboten. Auch in den Jahren nach 2000 folgten zahlreiche Verbote auf Bundesebene oder in einzelnen Ländern. Rechtsradikale Gruppen wie die Heimattreue deutsche Jugend (HDJ) oder Frontbann 24 wurden dadurch nachhaltig geschwächt.
Der pseudodemokratische Reflex, Verbote pauschal abzulehnen, greift schnell und auch nicht ganz zu Unrecht. Schließlich geht es von der Extremismusdebatte schnurstracks zum autoritären Staat. Wie das dann aussieht, hat Carl Schmitt 1933 in seinem Aufsatz über den »totalen Staat« beschrieben. Dieser lasse »in seinem Innern keinerlei staatsfeindliche, staatshemmende oder staatszerspaltende Kräfte aufkommen. Er denkt nicht daran, die neuen Machtmittel seinen eigenen Feinden und Zerstörern zu überliefern und seine Macht unter irgendwelchen Stichworten, Liberalismus, Rechtsstaat oder wie man es nennen will, untergraben zu lassen.«
Wie realitätsnah sind aber diese Befürchtungen in Zeiten, in denen rechte Nazihorden mit Baseballschlägern Jagd auf Flüchtlinge machen und es niemanden gibt, der sie davon abhält? Ist das diese Demokratie, von der immer die Rede ist?

Ein Verbot und damit ein Fehlen der Organisationsstruktur von Pegida würden öffentliche Auftritte, Vernetzung, Versammlungen und Demonstrationen erschweren oder sogar verhindern. Der Staat würde in diesem Fall unmissverständlich klarmachen: Ein völkisch-nationales Projekt ist unerwünscht. Die konsequente Repression gegen rechte Strukturen hätte Ordnungs- und Abschreckungsfunktion, sie würde Gewalt sanktionieren und rechtsstaatliche Grenzen verdeutlichen. Verbote können zwar nur ein Teil einer Strategie gegen Rechtsextremismus sein, aber sie sind möglicherweise ein sinnvolles Instrument, wenn es darum geht, rechten Terror zu bekämpfen. Natürlich wäre es schöner und befriedigender, wenn das Verschwinden von Pegida durch den Druck der sächsischen Bevölkerung und der Antifa organisiert werden könnte. Leider sieht es gar nicht danach aus.
Eine klare staatliche Position zu Pegida wäre daher wünschenswert. Das Gegenteil ist allerdings der Fall. Eher wird über einen Dialog nachgedacht. Unmotiviert fordert der Bundesinnen­minister Thomas de Maizière, »von denen« wegzubleiben. Die guten Deutschen werden aufgefordert, passiv zu bleiben und vielleicht eher mal wegzuschauen. Diejenigen, die sich Pegida und ihren Anhängern aktiv entgegen stellen wollen, werden weiter dabei behindert oder gar bestraft.