Religionskritiker leben in Bangladesh in Todesangst

Mit Beilen gegen die Aufklärung

Die massakrierten Religionskritiker Bangladeshs hätten die gleiche Aufmerksamkeit wie die ermordeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Charlie Hebdo verdient.

Ende Oktober wurden in Bangladesh schon wieder Religionskritiker mit Fleischerbeilen brutal angegriffen. Dabei wurden ein Verleger getötet und drei weitere Publizisten schwer verletzt (Jungle World 45/15). Die Angriffe sollen zeigen: Wer öffentlich für säkulare Werte eintritt, reli­giös begründete Unterdrückungsverhältnisse kritisiert oder diese Kritik verbreitet, soll sterben. Die islamistischen Täter gehen dabei mit besonderer Grausamkeit vor und schlachten ihre Opfer regelrecht ab. Dies soll Aufmerksamkeit erregen und andere Kritiker einschüchtern. Egal ob auf dem Nachhauseweg, zuhause oder im Büro – zu keinem Moment können sich die Freidenker Bangladeshs mehr sicher fühlen, an jedem dieser möglichen Tatorte wurde einer von ihnen bereits umgebracht. Und obwohl in diesem Jahr bereits fünf Publizisten Opfer dieser Mordserie wurden, spricht Bangladeshs Innenminister allen Ernstes relativierend von »Einzelfällen, die fast überall auf der Welt passieren« würden.
Einer, der das besser weiß, ist Ananya Azad. Der religionskritische Blogger ist von Bangladesh nach Deutschland geflohen, nachdem sein Name auf mehreren Todeslisten von Islamisten aufgetaucht war (Jungle World 34/15). Er spricht von »geplanten Morden« der Fundamentalisten, die so religiöse Gesetze und Blasphemieverbote durchsetzen wollen. Er will nicht zusehen, wie das ­säkulare Bangladesh zerstört wird und verlangt Gerechtigkeit für die Opfer. Bislang wurde kein einziger Attentäter gefasst. Einige der Opfer hatten sogar die Polizei um Schutz gebeten – vergeblich. Die Sicherheitsbehörden und die Regierung müssen endlich tätig werden, denn ihre Untätigkeit ermuntert die Fundamentalisten, weiter zu morden.
Mutige Menschen wie Azad setzen sich aktiv für Meinungsfreiheit, Frauenrechte, Demokratie und Säkularisierung ein und lassen sich dabei nicht von religiösen Fundamentalisten einschüchtern. Sie haben die gleiche Aufmerksamkeit verdient wie die ermordeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Charlie Hebdo. Doch während der Anschlag auf die Pariser Redaktion tagelang weltweit die Nachrichten bestimmte, waren die ermordeten Atheisten Bangladeshs nicht mehr als eine Randnotiz. Nach dem Mord an dem Verleger Faisal Arefin Dipon gab es keine Eilmeldungen, Liveschaltungen und Hintergrundberichte, weil es vielen in Europa offensichtlich egal ist, wenn in Südasien die Aufklärung mit Macheten bekämpft wird. Über Bangladesh hörte man von CDU und CSU Anfang November lediglich, dass ein »Rückübernahmeabkommen« mit dem Land abgeschlossen werden soll, damit Flüchtlinge schneller zurückgeschickt werden können.
»Egal ob Freidenkertum in Frankreich oder in Bangladesh bedroht wird, die Medien und die Gesellschaft müssen mit der gleichen Lautstärke ihre Stimme erheben«, fordert Azad im Gespräch mit der Jungle World. Doch in letzterem Fall schweigen beschämenderweise die meisten. Dabei hätte der Aufstieg des Islamismus fatale ­Folgen für die Bevölkerung Bangladeshs – das säkulare Land könnte zu einem zweiten Pakistan werden. Doch der Islamismus stört in Deutschland und Europa offenbar erst, wenn er vor der Haustür steht.