Angela ohne Angst

Derzeit muss diese Kolumne fast jedes Mal von der Flüchtlings- beziehungsweise Rassismuskrise in Deutschland handeln. Immer wieder auch von den Seehofers und Schäubles und all den anderen garstigen Männern, die der AfD das Wasser abgraben wollen. Vielleicht ohne zu merken, dass ein Teil der Wählerschaft längst auf »Anti-Establishment«-Kurs und auch mit den rechtesten Parolen nur schwer wieder einzufangen ist. Diese Männer also sind mit Angela Merkels Politik oft und gerade in der Flüchtlingsfrage nicht einverstanden. So sehr nicht einverstanden, dass sie sich nicht an Absprachen halten, vorpreschen und die Regierung ins Wanken bringen. Dass nun auch der brave Thomas de Maizière bei diesem Spiel mitmacht, ist neu – der treue Technokrat lehnt sich weit aus dem Fenster. So weit, dass Merkel ihm in der Flüchtlingspolitik Peter Altmaier vorgesetzt hat.
Merkel hat mit der Politik der offenen Grenzen, die strenggenommen gar nicht so offen sind, Haltung und Chuzpe gezeigt, die ihr nicht zugetraut worden waren. Selbst hinter Mauern aufgewachsen, liebt sie den Westen mehr als alle anderen Politikerinnen und Politiker, gerade weil sie nicht in ihm groß geworden ist. Deswegen ist es für sie nun ein historischer Moment: Vorpreschen – besonders im Vergleich zum Rest der europäischen Staaten, die allesamt eine Politik der Abschottung verfolgen. Merkel hält diese Politik für falsch, unökonomisch, irrational. In der Vergangenheit konnte sie sich in der Frage der Festung Europa immer irgendwie rauswieseln. Doch sie entschied sich gegen die grundsätzliche Abschottung, gegen ein Europa der alten, weißen Leute, die vor allem und jedem Angst haben, zuvorderst die Deutschen.
Bisher hat Merkel stets der German Angst nachgegeben, setzte auf die Sicherheit der deutschen Sparkonten, beugte sich der Angst vor Atomkraft und kam auch der Angst vor Flüchtlingen entgegen. Doch plötzlich zeigt sich »Mutti« von der strengen Seite. Schon lange ist bekannt, dass Merkel die Deutschen erziehen will, mit Verhaltensforschern und Umfragen versucht sie, jede kleine Volksregung einzufangen, um sie dann in die gewollte Richtung zu lenken. In der Flüchtlingsfrage ist sie nun einigen zu weit gegangen. Auch deswegen schert de Maizière aus: Die Deutschen wollen sich in der Angst suhlen, sich etwas vom tollen Abendland vormachen, ihrem Rassismus frönen. Und weil das offenbar tief in der deutschen Seele steckt, musste Merkel auch einknicken und den Forderungen der garstigen Volksvertreter und Julia Klöckners wieder einmal nachgeben. Mal sehen, wie lange noch. Bisher hat sie immer einen Weg gefunden, ihren Willen durchzusetzen. Diesmal ist es ihr wirklich zu wünschen.