Notizen aus Neuschwabenland, Teil 11: Die Rechte, Pegida und die Anschläge von Paris

Zwischen SS und IS

Diese Kolumne berichtet über das Milieu der »Neuen Rechten«. Notizen aus Neuschwabenland, Teil 11: Die Rechte, Pegida und die Anschläge von Paris.

Trotz ihres Erfolges in den letzten Wochen sah es bei Pegida und Co. nach Familienkrach aus, ehe ihnen die Verwandtschaft aus dem Orient zu Hilfe eilte. Noch kürzlich schieden sich an Björn Höckes schönhuberhaftem Talkshow-Auftritt die Geister. Götz Kubitschek verteidigte seinen Intimus im Blog der Sezession, während dem Chefredakteur der Junge Freiheit (JF), Dieter Stein, das Fahnengewedel des AfD-Politikers eher peinlich war. Umgekehrt distanzierte sich Kubitschek von Akif Pirinçcis »Pippi-Kacka-Rede« (Süddeutsche Zeitung), die JF gewährte dem gefallenen Katzenkrimischreiber dagegen ausgiebig Raum, sich selbst als »verbrannten« Autoren zu bemitleiden.

Kubitschek hat eine Reihe von »Widerstandsschritten« entwickelt, die auf Öffentlichkeit zielen. Angefangen vom »lebenden Grenzzaun« über Massendemonstrationen und Blockaden offeriert er verschiedene Protestkonzepte, inklusive Rechtshilfetipps. Unter der Parole »Greenpeace für Deutschland« betreibt er Fundraising. Gemeinsam mit Jürgen Elsässer, dem Euro-Gegner Karl Albrecht Schachtschneider, Hans-Thomas Tillschneider (AfD) und anderen bittet er »ein Prozent« der Bevölkerung um Spenden zur Rettung der Nation. Aktionismus und verschärfte Rhetorik bestimmen die Szenerie.
Letzteres zeigt auch ein Artikel von G. I. Nagel in der Blauen Narzisse (BN) unter dem Titel »Juden gegen Patrioten?«. In Stil und Inhalt unterscheidet er sich wenig von Elaboraten der NPD. Nagel behauptet, jüdische Organisationen verträten »meist linksradikale Positionen«, seien antipatriotisch und multikulturell orientiert. Anlass für diese steile These war die Kritik der Münchner Gemeindevorsitzenden Charlotte Knobloch an Pegida. Nagel beklagt, dass die Juden keine »Dankbarkeit« zeigten, obwohl man ihnen doch so viel »Wohlwollen« und »Entgegenkommen« darbringe. Vielmehr sei der deutsche Patriotismus Ziel jüdischer Attacken. Knoblochs Kritik an Pegida offenbare »ein Selbstbild, das anscheinend davon ausgeht, dass der Zentralrat eine Art oberste moralische Urteilsinstanz darstellt, welcher es obliegt, über alle Deutschen nach Belieben den Stab zu brechen«.
Die Vorwürfe des Linksradikalismus, der Undankbarkeit und Überheblichkeit jüdischer Organisationen rufen altbekannte Stereotype des Antisemitismus ab. Der Text ist bemerkenswert, denn die neurechte Szene vermeidet sonst offen antisemitische Töne. In der Regel kommt das Ressentiment dort durch eine vergangenheitspolitische oder fundamentalchristliche Hintertür zum Zuge. Die BN zeigt nun, wohin die Reise im national befreiten Abendland gehen soll: »Auch hier muss die politisch korrekte Feigheit endlich überwunden werden.«

Seit dem neuerlichen islamistischen Massaker in Paris stehen ihnen dafür weitere Stichworte zur Verfügung. Martin Lichtmesz schreibt in der Sezession von der »beispiellosen Vernichtungswut, mitten im infizierten und eitrigen Herzen Europas, in einem Land, das einmal Frankreich war«. Übereinstimmungen zwischen islamistischen und faschistischen Schlächtern hat er schon im Fall Anders Breiviks abgestritten, außereuropäische Orte wie etwa Mumbai zählen nicht, daher ist das Massaker »beispiellos« und trägt nicht die typische Handschrift eines mörderisch gewordenen Ultrakonservatismus. Seine Verfallsmetaphorik könnte Lichtmesz beim »Islamischen Staat« abgekupfert haben, in dessen Bekennerschreiben Paris »die Hauptstadt der Unzucht und Laster« ist. Die gängigen Referenzen im Milieu zu dem Anschlag sind jetzt Pirinçcis »Das Schlachten hat begonnen« und die »Rivers of Blood«-Rede des britischen Konservativen Enoch Powell von 1968. Auch Michael Klonovsky, der sich zu einem Akif Pirinçci verhält wie Martin Heidegger zu Julius Streicher – sie haben unterschiedliche Manieren, teilen aber den weltanschaulichen Kern –, hat angesichts von Paris sozialdarwinistische Visionen: »Es geht im Übrigen längst nicht mehr darum, welche Gesellschaft die angenehmere, schönere, freiere ist, sondern welche überlebt.« Damit bleibt die Wahl zwischen SS und IS .