Deutsche Rapper analysieren den islamistischen Terror

Das Geplapper der Checker

Ein Blick in die sozialen Medien zeigt, dass viele deutsche Rapper den Feind genau kennen. Es gibt sogar Spekulationen, Bushido sei über die Anschläge in Paris informiert gewesen.

Während viele HipHop-Musiker ihre Anteilnahmen zum Ausdruck brachten und die Anschläge in Paris verurteilten, gaben sich die üblichen Verdächtigen der deutschen Rap-Szene eher zynisch oder verstiegen sich gleich in Verschwörungstheorien.
»Mein tiefstes Beileid an die Angehörigen der Opfer in Paris. Es erfüllt mich mit Wut und Trauer, zu sehen, wie kaputt unsere Welt ist«, schrieb der als Kind nach Deutschland geflohene Azad. Cro twitterte das Wort »Trauer«, Prinz Pi »liberté, égalité, fraternité« und Sido die französische Nationalflagge. Viele weitere deutschsprachige Rapper nutzten das Hashtag #prayforparis, um ihre Anteilnahme in den sozialen Netzwerken auszudrücken. Zum Beispiel Animus aus Heidelberg und Nazar aus Wien, die beide einen iranischen Migrationshintergrund haben.
Das weitverbreitete Hashtag wurde aber auch benutzt, um eine verdrehte Sicht der Dinge zu präsentieren: »100 Tote und 260 Verletzte in Paris am gestrigen Abend, Allah yehamiken inshallah (soll Gott ihren Seelen gnädig sein) und jedem Hundesohn sein Leben nehmen, der dafür verantwortlich ist, und gerechte Strafe erfahren lassen, inshallah!!! By the way … in Afrika sterben jede Stunde … 100 Menschen an Hunger … In Kurdistan werden 100 Leute pro Tag exekutiert vor laufender Handykamera. In Palästina wissen 100 Leute pro Quadratmeter nicht, mit was sie im Ramadan ihr Fasten brechen und essen Kieselsteine. Aber ey … was weiß ich schon«, postete der zum Islam konvertierte Ruhrpott-Rapper Manuellsen. Der 36jährige steht in enger Verbindung zum türkischen Chapter der Hells Angels.
Größere Aufmerksamkeit wurde nur Bushido zuteil, der sich als Tabubrecher inszenierte. »Hab erstmal schnell meinen Paris-Pullover ausgezogen«, schrieb er auf Twitter. Gemeint war wohl der Pullover, mit dem er sich nach dem Attentat auf Charlie Hebdo Ende Januar präsentierte. Auch diesmal ließ der Shitstorm nicht auf sich warten. Sogar der private Fernsehsender Pro Sieben reagierte umgehend mit einem Kommentar: »Herr @Bushido, du widerst uns an.«
Im Internet kursiert das Gerücht, Bushido sei über die Anschläge zuvor informiert gewesen. Begründet wird die Spekulation mit einer Textzeile aus »Brot brechen«, seinem jüngsten Video. Bushidos Mitmusiker Shindy rappt dort: »Im November ist alles vorbei wie Oktoberfest/im November wie Chanukkah/dieses Jahr trag ich Camouflage«. Im Video sieht man Bushido an einem mit Kufiyas dekorierten Tisch sitzen, bewaffnete Männer stehen vermummt im Hintergrund. Irgendwann zeigt Bushido den erhobenen Zeigefinger, ein Symbol der Terroristen des sogenannten Islamischen Staats.
Fler stellte einmal mehr unter Beweis, dass ihm die genretypische Doppelbödigkeit nicht liegt. Kurz nach den Anschlägen twitterte er: »Joko und Klaas hoffentlich in Paris«. Auf die ablehnende Reaktion eines Followers reagierte der Berliner ungehalten: »Kauf mal bitte nie wieder meine CDs!!!«
Kool Savas, der selbsternannte King of Rap, äußerte sich auf Facebook mit einer ausführlichen Bemerkung. Zuerst drückt er seine Hoffnung aus, dass »wir alle schlau genug« sind, »aus diesen widerlichen, menschenfeindlichen Hinrichtungen kein Anti-Islam-, Anti-Einwanderungs-, Anti-Flüchtlings-Ding zu machen«. Doch was folgt, ist eine Aneinanderreihung altbekannter Ressentiments: »Unsere wahren Feinde sind die Rüstungsindustrie und jene, die von Krieg und Leid profitieren. Es spielt für diese Menschen keine Rolle, ob Kinder sterben, ob Familien zerstört werden, und ob sie einem jegliche Lebensgrundlagen nehmen, solange die nächste Waffenladung bezahlt ist.« Kool Savas ist sich sicher: »Ob am Ende 100 oder 100 Millionen Zivilisten und Soldaten ihr Leben lassen«, habe keine »Bedeutung, solange jemand seine perversen Ziele langfristig umsetzen kann«. Wer dieser jemand ist, weiß Savas genau: »Eine Elite, die ganze Länder, Staaten und Kontinente wie zum Beispiel Afrika ausbluten lässt, die Regierungen in Schulden stürzt, um ihnen dann untilgbare Kredite zu verkaufen, hat niemals unser Wohl im Sinn.« Auf die Reaktion eines Fans, der sein Idol darum bat, doch »bitte kein Illuminaten-Geblubber« von sich zu geben, antwortete der Rapper, sein Kommentar sei »nicht mal im Ansatz ’ne Verschwörungstheorie«.
»Es ist so ekelhaft, den Islam dafür verantwortlich zu machen, da in diesen Ländern fast nur Muslime sterben bei Anschlägen. Die Drahtzieher sind sicher keine Muslime, sondern ganz andere Länder, ihr wisst genau, welche ich meine«, springt der Rapper Sinan-G dem vermeintlichen King of Rap auf Facebook bei. Beide Posts erhielten über 10 000 Likes. Weil das bloße Raunen über den wahren Feind auf Dauer unbefriedigend ist, werden einige Protagonisten der Szene schnell konkreter. »Nachdem 3 000 Amerikaner durch ihre eigene Regierung geopfert wurden, um einen Krieg gegen die globale Freiheit zu rechtfertigen, kann man davon ausgehen, dass nach Paris ähnliche Züge auf dem Schachbrett folgen werden«, analysiert der Rapper B-Lash messerscharf und teilt ein Video von Ken Jebsen zum Thema. »Die USA gehören zu den größten Terroristen dieser Welt (…) Wer Waffen herstellt und verkauft, gehört genauso bestraft. Das ist echter Terror«, legt Sinan-G in seinem Kommentarbereich nach. Auch Tage nach dem Anschlag postete der 28jährige immer wieder mehr oder weniger ernstgemeinte Anklagen gegen den amerikanischen Weltfeind.
Wirklich überrascht hat nur die Reaktion des Berliner Rappers Bass Sultan Hengzt. »Ich freu’ mich schon richtig krass auf die Verschwörungstheoretiker … Nicht!« twitterte er.