Berlin Beatet Bestes. Folge 316.

Der DJ ist nie der richtige Ansprechpartner

Berlin Beatet Bestes. Folge 316. Der Discjockey.

Seit einiger Zeit bin ich nun doch wieder regelmäßig DJ. Zwar hauptsächlich für Swingtänzer, aber eigentlich ist es wie normales Auflegen. Nur das Tempo ist wichtiger: Anfänger brauchen langsamere Musik als Fortgeschrittene. Erst wenn die Cracks kommen, kannst du als DJ richtig loslegen und die fetzigen, schnellen Songs spielen.
Schon vor 20 Jahren habe ich in Kneipen aufgelegt, damals Punk, Beat und Rock’n’Roll. Selten wurde dazu getanzt, es war coole Beschallung für Leute, die sich mit Musik auskannten oder wenigstens so taten. Als DJ bist du, zusammen mit den Barleuten, das Gesicht des Ladens. Wenn du kühl und unnahbar wirkst, strahlt das auch auf den Laden ab. Unlängst habe ich mal wieder zusammen mit ­einem DJ aufgelegt, der auch schon seit den Neunzigern dabei ist. Als jemand nach »Hit the Road Jack« fragte, antwortete er knapp: »Nee. So was spiel’ ich nicht.« Punkt. Gespräch beendet. Ich war sprachlos.
Diese arrogante DJ-Nummer, auf Musikwünsche prinzipiell nicht zu reagieren, hatte ich völlig vergessen. So war das früher immer. Der DJ betrachtete sich als Musiker, der seine eigenen Songs vortrug, ob sie den Zuhörern nun gefielen oder nicht. Obwohl ich Arroganz ablehne, erkenne ich mich zum Teil darin wieder, denn auch meine Musikauswahl war schon immer eher seltsam. Ich kann Hits einfach nicht leiden, sie öden mich an. Ich hätte trotzdem anders reagiert und gesagt: »Sorry, hab’ ich nicht. Aber ich habe eine echt charmante, französische Coverversion von ›Hit the Road Jack‹. Wie wär’s damit?« Das wäre auch keine ideale Reaktion gewesen, denn selbstverständlich will man das Original hören. Aber zumindest wäre es keine schroffe Abfuhr gewesen. Ich habe auch oft gesagt: »Sorry, hab’ ich nicht, aber vielleicht findest du ja was anderes in meiner Plattenkiste, das dir gefällt.« Nach einem Blick in die Kiste folgte auf meinen musikalischen Offenbarungseid immer die gleiche Antwort: »Oh, das kenne ich alles nicht!«
Ich vermute dennoch, dass der Gast sich zwar einen Song wünscht, tatsächlich aber keinen speziellen hören möchte. Er will eigentlich nur ein bisschen über Musik reden, zeigen, dass er sich auch dafür interessiert und sich auskennt. Dafür sollte der DJ der richtige Ansprechpartner sein – ist er aber nicht. Er ist leider auf hoffnungslose Weise übermäßig gebildet, denn er hat sich in seinem bisherigen Leben viel intensiver als nötig mit Musik und vor allem mit Schallplatten beschäftigt und deshalb langweilt es ihn, sich mit Mindergebildeten zu unterhalten. So legt er dann weiter fröhlich auf, und zwar am Musikgeschmack des Publikums vorbei.
Leute, die keine großen Musikfans sind und auch kein so neurotisches Verhältnis zu ihrem Publikum haben, sind wahrscheinlich bessere DJs. Ich wechsele mich derzeit wöchentlich mit einem DJ ab, der mit seinem iPad »auflegt«. Auch er wird nach Songs gefragt und Frauen sprechen ihn nur deshalb an, weil er der DJ ist. Beides nervt ihn nicht im Geringsten. Im Gegenteil. Die Playlist von seinem iPad darf allerdings nie jemand sehen.
Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.