Die spanische Partei Podemos befindet sich im Wahlkampf

Varianten von links

In Spanien wird im Dezember gewählt. Nach den Anschlägen von Paris finden die linken Parteien im Gegensatz zur den ­liberal-konservativen wenig Einigkeit.

In Spanien stehen die wichtigsten Wahlen des Jahres noch aus: Am 20. Dezember sind Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Die Bewegung im Parteiengefüge ist derzeit so stark wie noch nie im postfranquistischen Spanien. Insbesondere die neueren linken Parteien – Podemos als dezidiert linkes Projekt und Ciudadanos, eine ältere und liberal ausgerichtete Partei katalanischen Ursprungs – wetteifern bislang um den Platz als dritt- beziehungsweise viertstärkste Partei im künftigen Parlament.
Im Endspurt des Wahlkampfs haben nun die Anschläge von Paris Themen wie die Abspaltung Kataloniens und die Flüchtlingsfrage in den Hintergrund treten lassen. Auch angesichts der nationalen Debatte über dieses Thema scheint sich die Waage weiter zu Gunsten von Ciudadanos zu neigen. In direkter Reaktion auf den 13. November ist Ciudadanos dem »Pacto Antiterrorista« beigetreten, dem zwischen der sozialdemokratischen Partei PSOE und der konservativen Regierungspartei PP im Februar dieses Jahres geschlossenen Antiterrorpakt. Podemos beteiligt sich nicht daran.

Der Pakt gilt nun als Test für Staatstreue und Regierungsfähigkeit. Die ihm beigetretenen Parteien präsentieren ihn als »Einheit der Demokratie«, wodurch sie den alten Verdacht, Podemos sei ein Nestbeschmutzer und von fremden Mächten gesteuert, erneuern können. Dass Podemos den Beitritt zum Antiterrorpakt angesichts der Einschränkung grundlegender Persönlichkeitsrechte, die dieser mit sich bringt, verweigert hat, wird derzeit kaum erwähnt. Zudem stellt sich Podemos gegen die französischen Vergeltungsschläge, die die Partei als »Racheakte« bezeichnet hat. Der von Podemos vorgelegte Sieben-Punkte-Plan zum Umgang mit dem »Islamischen Staat« (IS) fordert vor allem finanzielle Austrocknung und ein Ende der Waffengeschäfte – ohne jedoch auszuführen, wie dies erreicht werden kann.
Ciudadanos hingegen hat der Regierung sogar Unterstützung für eine spanische Beteiligung an einer Militärintervention in Syrien zugesichert, obwohl diese bislang von Regierungsseite ausdrücklich nicht in Erwägung gezogen wird. Die Vorsicht der Regierung Mariano Rajoys ist angesichts der bevorstehenden Wahlen vernünftig. Die Erinnerungen an die islamistischen Anschläge in Madrid am 11. März 2004 werden nun wieder wach. Sie hatten unter anderem den Sturz der konservativen Regierung unter José María Aznar und später den Rückzug der spanischen Armee aus dem Irak zur Folge.

In letzter Zeit hatte Podemos Versuche unternommen, sich einen respektableren und patriotischeren Anstrich zu geben. Dafür spricht der als Coup gewertete Erfolg, den Vier-Sterne-General Julio Rodríguez aufzunehmen und als Kandidaten für den Kongress aufzustellen. Der ehemalige Chef des Generalstabs macht sich derzeit als kritischer Vorsitzender des Forums für Militärangelegenheiten und Demokratie einen Namen und kommentierte die Sanktionen von Seiten der Regierung, die ihn wegen des Beitritts zu Podemos seines Ranges enthoben und Veranstaltungen mit ihm absagt hatte, mit den Worten: »Wenn Systemgegner sein bedeutet, keine Kürzungen im Gesundheits- und Bildungswesen vorzunehmen, ja, dann bin ich Systemgegner.«
Fast vergessen ist derzeit das aufsehenerregende Fernsehereignis von Mitte Oktober, das Rekordeinschaltquoten und im Schnitt 2030 Tweets pro Minute gebracht hatte: Pablo Iglesias, Generalsekretär von Podemos, und Albert Rivera, Vorsitzender von Ciudadanos, stellten sich einem Streitgespräch. Einig waren sich die beiden, denen insbesondere nach dem Gespräch nahegelegt wurde, eine Allianz zu bilden, vor allem darin, dass es gelten müsse, Flüchtlinge aufzunehmen und zu schützen. Es ist aber vor allem die Partei Podemos, die den Worten Taten folgen lässt: Mit beeindruckender Direktheit und Selbstbewusstsein bildeten die neuen, Podemos nahestehenden Stadtverwaltungen angesichts der humanitären Krise bereits Anfang September das Netzwerk »Schutz-Städte« und stellten Ressourcen zur Aufnahme von Flüchtlingen bereit.

Ciudadanos bietet sich angesichts des Abspaltungsprozesses in Katalonien, dessen Parlament am 15. November einseitig die Unabhängigkeit erklärt hat, hingegen als nationalen Kitt für das »gespaltene Land« an. Die Partei versucht, ihren deutlichen Vorsprung bei den katalanischen ­Autonomiegebietswahlen vom 27. September (Ciudadanos erhielt 25 Prozent der Stimmen, Podemos nur elf Prozent) auszubauen. Inés Arrimadas von Ciudadanos hält ihre Reden als Oppositionsführerin im katalanischen Parlament demonstrativ auf Spanisch. Podemos verteidigt in dieser Frage das Selbstbestimmungsrecht der katalanischen Bevölkerung, geht aber offiziell davon aus, dass das Ergebnis bei einem verbindlichen Referendum gegen die Unabhängigkeit ausfallen würde. Das zentralspanische Regierungslager scheint hingegen bereit, alle Register zu ziehen, um die Abspaltung zu verhindern, und verweist auf Artikel 166, der es nach geltender Verfassung erlauben würde, Katalonien den Autonomiestatus wieder abzuerkennen.
Ein Wahlbündnis zwischen Podemos und der Vereinigten Linken (IU) ist indessen trotz vieler inhaltlicher Übereinstimmungen gescheitert, was wohl eher auf die Haltung von Podemos zurückzuführen ist. Die Partei bestand vor allem auf ihrem Logo und ihrem Markenzeichen. Viele linke Wähler sehen diese Haltung kritisch. Doch Koalitionen sind nach der Wahl weiterhin möglich. Wohin sich das Projekt Podemos, das fraglos mit großem Transformationspotential angetreten ist, nach dem 20. Dezember entwickelt, ist derzeit noch nicht klar.