Der Fernsehauftritt der Identitären Bewegung in Österreich

Die Polohemd-Fraktion der Rechten

Das österreichische Fernsehen lud den Vorsitzenden der »Identitären Bewegung« zu einer Diskussion über Flüchtlinge ein.

Wie im Fußballstadion sitzt das Publikum nach Blöcken aufgeteilt. Auf der einen Seite die, die irgendwie für Flüchtlinge sind. Auf der anderen Seite jene, die diffus dagegen sind. Im Fernsehen des öffentlich-rechtlichen Österreichischen Rundfunks (ORF) läuft eine Diskussion über die aktuelle Flüchtlingssituation in der Alpenrepublik. »Bürgerforum« heißt die Sendung. Darin kommen nicht nur Politiker aller Parlamentsparteien zu Wort, sondern auch Bürgerinnen und Bürger. Die Sendung lief am Dienstag vergangener Woche und hatte den Titel: »Flüchtlinge – kein Ende in Sicht?« Er beinhaltete bereits den Wunsch nach einer Beschränkung des Asylrechts. Diese Tendenz kennt man schon von den Diskussionen über den Ball der Burschenschafter in der Wiener Hofburg, bei denen es weniger darum geht, dass sich auf dem Ball rechtsextreme Kader aus ganz Europa treffen, sondern um linke »Krawalle«.
In der Sendung äußern sich also neben Politikern viele Menschen – Flüchtlingshelfer oder Bewohner von Gemeinden mit Flüchtlingsunterkünften. Dann darf sich jemand äußern, der lediglich als »junger Mann aus der letzten Reihe« angekündigt wird. Es handelt sich um Alexander Markovics, schlagender Burschenschafter und Vorsitzender der »Identitären Bewegung« in Österreich, die vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) als rechtsextrem eingestuft wird. Markovics macht den österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) mitverantwortlich für die Massaker von Paris: »Sie sind durch Ihre Politik der offenen Grenzen mitschuldig an diesem Anschlag!« Die Regierung müsse durch die Schließung der Grenzen »die Sicherheit in Österreich« garantieren. Dass der wirre Beitrag nicht einmal im eigenen Milieu richtig verstanden wurde, zeigt sich am eher mäßigen Applaus und an Buh-Rufen. Trotzdem wirkt es befremdlich, dass ein Vertreter der Identitären, der größten außerparlamentarischen rechtsextremen Gruppe Österreichs, in einer Sendung mit mehreren Hunderttausend Zuschauern zu Wort kommen darf.

Die Identitären haben ihren Ursprung in Frankreich. 2012 besetzte dort die Génération Identitaire die Baustelle einer Moschee und fabulierte von einem Abwehrkampf, den es zu gewinnen gelte. Sie waren das Vorbild für alle Gruppen, die danach unter ähnlichem Namen gegründet wurden: Schwarz-gelbe Farbgebung, das Lambda als Symbol (aus dem cineastischen Faschismusspektakel »300«) und Aktionismus. So fügten die Identitären der »Neuen Rechten« eine neue Komponente hinzu.
Die »Neue Rechte« ist die Verbindung zwischen etablierten, bürgerlichen, Schichten und dem offenen Rechtsextremismus. Sie beruft sich nicht mehr direkt auf den Nationalsozialismus, sondern auf die »Konservative Revolution«, also Autoren wie Carl Schmitt und Ernst Jünger. Auch die »Neue Rechte« hat ihre Ursprünge in Frankreich und etablierte sich ab Ende der sechziger Jahre auch in Deutschland. Erklärtes Ziel war nicht mehr der Gewinnen von Parlamentsmehrheiten, sondern, vermittels einer wirren Gramsci-Exegese, die »Kulturrevolution von rechts«, quasi ein 1968 für Rechtsextreme. Die Angehörigen der »Neuen Rechten« wollen Diskurse beeinflussen und Narrative prägen.
In Deutschland hat diese Szene verschiedene Stadien durchgemacht, mit dem Historikerstreit 1986 als einem Höhepunkt. Bis zu den Jahren nach der Jahrtausendwende lag sie ziemlich brach. Zu dieser Zeit wurden neue Projekte von deutlich jüngeren Personen gegründet, beispielsweise 2003 die Zeitschrift Sezession (mittlerweile so etwas wie ein Zentralorgan der »Neuen Rechten«) und 2004 die Blaue Narzisse. Damit wurden die Grundlagen für ein neues, jüngeres und internet­affines Netzwerk geschaffen.
Zur selben Zeit gründete sich in Italien die neofaschistische Organisation »Casa Pound«, die die Richtung für die Identitären vorgab: ein rechtsextremer, cooler Lifestyle mit Aktionismus, ganz ohne Schlägernazi-Anstrich. Diese beiden Faktoren, die Verjüngung der »Neuen Rechten« und ihres publizistischen Netzwerkes und mit »Casa Pound« ein aktionistisches Vorbild, waren zentral für den Aufstieg der Identitären. Sie bilden sozusagen die Polohemd-Fraktion des Rechtsextremismus.

In Österreich stellen die Identitären eine echte Neuerung dar, da bislang alles im rechtsextremen Lager von der FPÖ aufgesogen wurde und sich so etwas wie eine »Neue Rechte« nur schwer entwickeln konnte. Daher rührt auch die Schwierigkeit vieler antifaschistischer Organisationen, die außer »FPÖ« und »Nazis« keine Begrifflichkeiten finden. Auch wegen dieser linken Unschärfe und Ignoranz konnten sich die Identitären in Österreich nach Belieben inszenieren. Besetzungen, Kundgebungen und auch Flugblattaktionen direkt vor Flüchtlingsunterkünften – dagegen gab es kaum Widerstand. Die Identitären halten ihre Gesichter in die Kameras und geben Interviews unter Klarnamen. Auf Facebook wird jede Aktion mit Pathos dokumentiert, was mittlerweile zu mehreren Tausend Likes und Hunderten Shares pro Posting führt. Kurzum: Die Strategien der Rechtsextremen haben sich gewandelt, die der Antifaschisten müssten es auch.
Zurück zum Bürgerforum: Dessen Redaktion äußert sich erst nach einigem Protest, unter anderem von der »Offensive gegen rechts«, dem größten antifaschistischen Bündnis in Österreich. Anstatt sich zu entschuldigen oder zu distanzieren, ließ sie wissen, Markovics sei bewusst eingeladen worden, damit »alle Stimmen« zu Wort kämen. Schließlich habe die »Identitäre Bewegung« eine Demonstration in Spielfeld, an der slowenisch-österreichischen Grenze, organisiert. Interessanterweise wurden aber weder die Veranstalter der Gegendemonstration noch antifaschistische Organisationen eingeladen. Auf ihren Demonstrationen rufen die Identitären nach einer neuen »Reconquista«, also der Säuberung Europas von Juden und Muslimen.
»Alle Stimmen« hören zu wollen, ist nichts anderes als angewandte Extremismustheorie. Die Stimme der Flüchtlinge, die auch zu Wort kommen sollten, wird als eine Seite der Medaille gesehen, jene, die den Wunsch nach ethnischen Säuberungen haben, als die andere Seite. Es wird ein Mittelweg zwischen Asylrecht und Rechtsextremismus gesucht, der natürlich nur zu Gunsten der Rechtsextremen ausgehen kann. Schließlich werden ihre Aussagen als legitime »Meinungen« aufgenommen, als »Stimmen«, die »gehört werden müssen«. Warum man das tun soll, diese Antwort bleibt auch die Redaktion des Bürgerforums schuldig.