Ein Jihadistischer Anschlag im Zentrum von Tunis

Jihad in Tunis

Nach dem Anschlag auf einen Bus der Präsidentengarde verweisen die tunesischen Behörden auf Libyen als Gefahrenquelle.

Es war ein Anschlag mitten im Zentrum von Tunis, nur wenige hundert Meter vom Innenministerium entfernt. Nach Angaben des Innenministeriums sprengte sich am späten Dienstagnachmittag voriger Woche ein Selbstmordattentäter mit Kopfhörer und einem Rucksack mit zehn Kilogramm Sprengstoff beim Besteigen eines Busses der Präsidentengarde in die Luft und tötete dabei zwölf der Sicherheitskräfte, etwa 20 Menschen sollen verletzt worden sein. Tags darauf erklärte sich der »Islamische Staat« (IS) in einem Kommuniqué für die Tat verantwortlich und zeigte auf einem Foto den angeblichen Attentäter namens »Abou Abdallah al-Tounissi«. Die »Tyrannen von Tunis« würden »keinen Frieden mehr kennen«, solange »das Gesetz Gottes nicht in Tunis regieren« werde, hieß es. Am Abend nach dem Anschlag verkündete Präsident Caid Béji Essebsi, dass in Tunesien für 30 Tage der Ausnahmezustand, in Tunis eine Ausgangssperre verhängt und die Grenze zum Nachbarland Libyen für zwei Wochen geschlossen würden.
Die Identität des Sebstmordattentäters wurde nach DNA-Analysen bekanntgegeben: Houssem Abdelli, ein 26jähriger tunesischer Straßenhändler. Angeblich hat er sich nach dem Sturz des autoritären Präsidenten Zine al-Abidine Ben Ali Anfang 2011 radikalisiert, der salafistisch-jihadistischen Gruppe Ansar al-Sharia angeschlossen und ist möglicherweise nach Libyen, eventuell auch nach Syrien gereist. Es ist das dritte Mal in diesem Jahr, dass sich der IS zu einem Anschlag in Tunesien bekennt, nach dem Massaker im Bardo-Museum im März mit 22 Toten und dem Gemeuchel im Juni am Strand von Sousse, das 38 Touristen das Leben kostete. Aber es ist das erste Mal, dass Sicherheitskräfte im Zentrum von Tunis angegriffen wurden. Die Botschaft ist klar: Der IS kann überall zuschlagen, gegen wen auch immer. Bislang kamen vor allem bei Attacken im bergigen Westen nahe der Grenze zu Algerien, wo die mit al-Qaida im Maghreb verbundene Brigade Okba Ibn Nafaa operiert, Dutzende Soldaten und Nationalgardisten ums Leben. Der Einfluss des IS innerhalb der jihadistischen Netzwerke in Tunesien wird seit Anfang dieses Jahres spürbar und weitet sich aus; ein Teil der Brigade Okba Ibn Nafaa hat sich abgespalten und dem IS zur Loyalität verpflichtet.
Das Innenministerium deutet nach Libyen als Hinterland für tunesische Jihadisten. Ihm zufolge wurden »alle Mitglieder, die in die letzten terroristischen Attentate verwickelt waren, in Libyen trainiert«, das Innenministerium habe »Kenntnis über die Trainingsstätten«, die Planung der Attentate sei ebenfalls in Libyen erfolgt. Dort halten sich nach Schätzungen 1 000 bis 1 500 tunesische Jihadisten auf. Die wichtigste Basis des lokalen IS-Ablegers in Libyen ist die Hafenstadt Syrte, er kontrolliert zudem einen 150 Meilen langen Küstenstreifen. In einem aktuellen Bericht zitierte die New York Times einen Antiterror-Analysten mit der Aussage, in Libyen befinde sich die IS-Filiale, die am meisten Sorgen verursache, das Land sei die Drehscheibe, von der aus der IS nach ganz Nordafrika ausgreife.
Das ist umso bedauerlicher, als die tunesische Grenze zu Libyen im Süden kaum kontrollierbar ist. Seit 2011 haben sich dort vermehrt Schmuggelnetzwerke etabliert, die der tunesische Staat duldete, weil sie angesichts der hohen Arbeitslosigkeit die sozialen Spannungen im Süden dämpften.