Puss and Bots

Wenn Computer die Macht übernehmen, droht den Menschen Unheil. Das jedenfalls lehrt die Science-Fiction. So ist man zunächst darüber beunruhigt, dass im vorigen Jahr bereits 56 Prozent des gesamten Internetverkehrs von Bots – Computerprogrammen, das automatisch diverse Aufgaben abarbeiten – bestritten wurden und wir jedes Jahr etwas mehr an Boden verlieren, insbesondere im Wettbewerb mit den immer zahlreicher auftretenden impersonator bots, die ebenso wie wir den Anschein erwecken, denkende Menschen zu sein. Sie klicken, scrollen, liken Katzenvideos, verschicken Hasskommentare – allzu hoch sind die Ansprüche nicht, wenn ein durchschnittlicher Internet-Nutzer kopiert werden soll. Hätten die Bots Geld für Online-Bestellungen, bräuchte das Internet uns bald nicht mehr.
Aber sollten wir uns den Bedenkenträgern anschließen? Vor den Bots warnen vor allem Experten für Marketing im Internet wie Reid Tatoris. Es geht um ein Multimilliardengeschäft und die Existenzgrundlage vieler Konzerne, doch von den Online-Anzeigen haben »nur acht Prozent eine Chance, gesehen zu werden«, eine Angabe, die in der Größenordnung von diversen Studien bestätigt wird. Der Anteil der Käufer ist natürlich noch sehr viel geringer. »Das ist ein unglaubliches Ausmaß an Verschwendung«, urteilt Tatoris. Doch ist die moderne Technik nicht dazu da, unser Leben schöner und bequemer zu machen? Überlassen wir die Anzeigen also gänzlich den Bots, sollen die sich damit abplagen. Wenn alle Unternehmen um die wenigen menschlichen Betrachter betrogen werden, ist die Wettbewerbsgleichheit schließlich wieder hergestellt und keiner kann sich beklagen. Ohnehin beklagt sich ja kaum einer, obwohl das Problem des ad fraud seit Jahren bekannt ist. Warum an einem irrealen, aber lukrativen Geschäftsmodell etwas ändern, wenn weiterhin nur alle daran glauben müssen, dass das Geschäft real ist? Auch der Aktienhandel wird ja bereits etwa zur Hälfte ohne Menschen abgewickelt, aber selten wird gefragt, ob die Computer wirklich genug auf der Festplatte haben, um die Gewinnaussichten einer Firma fachkundig beurteilen zu können. Noch immer könnte gewinnbringend mit Kreditderivaten gehandelt werden, wenn wir dies rechtzeitig der Software überlassen hätten, statt die unsinnige Frage zu stellen, was diese Papiere eigentlich wert sind. Hätten die Wirtschaftpolitiker etwas mehr Phantasie, wären sie längst auf die Idee gekommen, die Nachfrage durch den Einsatz von Bots im Online-Handel zu stimulieren. Ob die Virtualisierung des Kapitalismus künftige Krisen verhindern kann, bleibt zwar fraglich, ohne sie hätten wir aber wahrscheinlich längst wieder eine. Und mag der Mensch auch überflüssig werden, so bleibt ein Internet ohne cat content undenkbar. Solange die Bots keine Katzen füttern können, müssen wir uns also keine Sorgen machen.