Beate Zschäpes Selbstdarstellung

Terror und Schlapphüte

Die ebenso dreiste wie langweilige Aussage von Beate Zschäpe beantwortet keine offenen Fragen im Münchner Prozess. Sie verdeutlicht jedoch einmal mehr die Kontinuität von Lüge und Verschleierung im NSU-Komplex.

Die Aussage von Beate Zschäpe im Münchener NSU-Prozess war so unspektakulär, wie es viele erwartet hatten. Zschäpes Anwalt hat nichts vorgelesen, was nicht sowieso schon bekannt war. Das zentrale Thema der Aussage war Zschäpes »Unschuld« und ihr angeblicher Widerstand gegen die Morde, die ihre Mitbewohner quasi hinter ihrem Rücken verübt haben sollen. Kein Wort hat die Angeklagte über die neonazistische Szene oder Kontakte zu Geheimdiensten verloren.
Dass angeklagte Neonazis ihre Taten entpolitisieren, ist nicht ungewöhnlich. Dass Zschäpe ihre eigenen Taten und die Morde, die Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt verübten, nicht in einen rassistischen Kontext stellt, wird ihr in der NS-Szene niemand verübeln. Einen Verrat hätte Zschäpe begangen, wenn sie über die mitangeklagten Neonazis gesprochen hätte, wenn sie ­einen Einblick in die Unterstützerkreise des NSU geliefert hätte. Das hat sie nicht getan; Wohlleben und Eminger sind Namen, die in Zschäpes Aussage nicht auftauchen. Der einzige Neonazi, der eine Rolle spielt, ist Tino Brandt. Der hatte zwar den Thüringer Heimatschutz aufgebaut, wurde aber vor 15 Jahren als V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes enttarnt, ist also ein »Verräter«. Dass Brandt im Dezember 2014 auch noch wegen Kindesmissbrauchs verurteilt wurde, dürfte seinen Status als Feind in der Szene weiter gefestigt haben. Ein Bauernopfer, das Zschäpe und ihre Verteidiger bringen konnten.
Über Kontakte zu Geheimdiensten und anderen Sicherheitsbehörden war in der Erklärung vor dem Münchener Gericht nichts zu hören. Dabei geben verstorbene V-Männer des Verfassungsschutzes und seltsame Todesfälle bei Zeugen im Umfeld des NSU immer wieder Anlass, Fragen nach den Verstrickungen zwischen staatlichen Stellen und den Nazi-Terroristen zu stellen. Da ist oft schwer zu unterscheiden zwischen linken Verschwörungstheorien und dem Versuch einer Analyse, was im Kontext des NSU geschehen ist. Was ist beispielsweise mit dem hessischen Verfassungsschützer, der während des Mordes an Halit Yozgat am Tatort war? War er an der Tat beteiligt? Was wusste sein Arbeitgeber? Wurde er gedeckt oder handelte er im Auftrag des Verfassungsschutzes? Es war nicht zu erwarten, dass Beate Zschäpe solche Fragen beantwortet. Aber sollte sie das überhaupt?
Die Bundesanwaltschaft und auch die Geheimdienste können mit der Aussage von Zschäpe gut leben. Die Bundesanwaltschaft sieht ihre These von der kleinen, aus drei Personen bestehenden Terrorzelle mit wenigen Unterstützern bestätigt. Weitere Ermittlungen sind nicht notwendig, Problem gelöst, Deutschland gerettet. Ähnlich wie beim Oktoberfestattentat von 1980, zu dem die Bundesanwaltschaft eine Einzeltäterthese vertrat, scheint auch der NSU-Komplex keine Konsequenzen nach sich zu ziehen. Einige V-Männer mögen außer Kontrolle geraten sein, aber im Großen und Ganzen heißt es »weiter so«.
Eine Sonderkommission des bayerischen LKA beschäftigt sich seit Dezember 2014 übrigens wieder mit dem Attentat von vor 35 Jahren. Zweifel an der Einzeltäterschaft ließen sich nie ausräumen.