Der Frauenhandel ist eine wichtige Einnahmequelle des IS

Die Sklavinnen des IS

Der Handel mit Frauen ist eine immer wichtigere Einnahmequelle des »Islamischen Staates«. Vor allem yezidische Frauen und Mädchen werden als Sklavinnen verkauft oder gegen ein hohes Lösegeld freigelassen.

Die Einnahmequellen des »Islamischen Staats« (IS) sind vielfältig. Die Jihadisten besteuern in den von ihnen kontrollierten Gebieten Konsumgüter wie Mobiltelefone, aber auch Gehälter von irakischen Staatsdienern, die tatsächlich noch bis vor kurzem aus Bagdad Bezüge zugewiesen bekamen, und haben alle möglichen Sondersteuern erlassen. Angehörige der christlichen Minderheit müssen Kopfsteuern bezahlen oder konvertieren, um nicht getötet zu werden. Die meisten flohen ohnehin beim Anmarsch der Jihadisten, ihr Besitz wurde konfisziert. Die Bevölkerungsgruppe der Yeziden trifft es noch härter. Konversion oder Tod ist die Alternative für Männer, Frauen und Kinder wurden seit Sommer 2014, als der IS den vor allem von Yeziden bewohnten Berg Sinjar im Nord­irak überfiel, zu Tausenden in die Sklaverei verschleppt. Auch nachdem dieses Territorium zurückerobert wurde, verbleiben noch Tausende Frauen in der Gewalt der Jihaddisten.

Der irakische Wirtschaftsexperte Luay al-Khatteeb hielt in einer Publikation über »Handel mit Sex« Ende 2014 fest, der IS habe allein 2014 mindestens 20 Millionen Dollar daran verdient. Nun ist zu befürchten, dass die Terrormiliz angesichts ihrer territorialen Verluste und Einnahmeeinbußen verstärkt auf den Menschenhandel zurückgreifen wird, befürchtet Aymenn al-Tamimi vom Middle East Forum. Die Erhebung neuer Steuern unter anderem auf Schulbücher und vor allem eine Kürzung der Bezüge der Kämpfer gehörten zu den kurzfristigen Maßnahmen, auf die der IS momentan zurückgreife. »Das sind Notlösungen, die die Autorität der Islamisten gefährden können«, stellt der die Finanzen des IS untersuchende Wissenschaftler fest. Sie müssten neue Geldquellen erschließen oder andere Ressourcen aufstocken. Neben Zuwendungen aus sympathisierenden Kreisen in Saudi-Arabien und Katar profitiert der IS von einem regen Handel mit der und über die Türkei. Die Industriestadt Gaziantep im Südosten der Türkei ist zu einem Umschlagplatz vieler solcher Geschäfte geworden. Die aus Celle stammende Abgeordnete der prokurdischen »Demokratischen Partei der Völker« (HDP), Feleknas Uca, hat yezidische Verwandte. Von 1999 bis 2009 war sie für die Partei »Die Linke« für die Konföderation der Vereinigten Linken (GUE/NGL-Fraktion) im Europaparlament. Seit Juni ist sie für den Wahlkreis Diyarbakır Abgeordnete in Ankara. Anfang Dezember stellte sie die Anfrage an den türkischen Innenminister Efkan Ala, ob die türkische Regierung Kenntnisse darüber habe, dass der IS im Internet yezidische Frauen verkaufe und sich eines seiner Kontaktbüros in Gaziantep befände.
Sie bezieht sich auf eine Recherche von Journalisten der deutschen Sendeanstalten NDR und SWR. Anhand von Chat-Protokollen, Dokumenten, Fotos und Zeugenaussagen versuchten die Journalisten das System zu rekonstruieren. Demnach würden die Frauen in einem digitalen Sklavenmarkt an den Meistbietenden verkauft. 15 000 bis 20 000 US-Dollar seien dabei ein üblicher Preis. Ähnliche Summen würden auch beim Freikauf der Yezidinnen verlangt. Das Geld würde dann über IS-Verbindungsbüros und Mittelsmänner an die Terrorgruppe transferiert. Im Laufe der Recherchen stellte sich heraus, dass ein solches Büro auch in der türkischen Industriestadt Gaziantep nahe der Grenze zu Syrien liegt – offenbar unbemerkt von den türkischen Behörden. Ein yezidischer Unterhändler gab gegenüber NDR und SWR an, im Laufe des vergangenen Jahres rund 250 Frauen und Kinder befreit und dabei eine Gesamtsumme von mehr als 2,5 Millionen US-Dollar gezahlt zu haben.
Praktisch funktioniere der Menschenhandel folgendermaßen: Der Unterhändler wird über eine Whatsapp-Nachricht zu dem mit dem IS in Verbindung stehenden Büro gerufen. Dort findet die Geldübergabe statt, der Einzahler erhält später erneut über Whatsapp eine Empfangsbestätigung. Danach werde telefonisch ein Kontakt hergestellt und ein Ort für die Geiselübergabe vereinbart. Das Geld stamme zumeist von den yezidischen Familien, die ihre Ersparnisse nutzen oder Kredite aufnehmen. Auch eine halbstaatliche Organisation des Ministerpräsidenten des Nordirak, Neçirvan Barzani, zahle Teile des Lösegeldes. Ob die türkische Regierung Kenntnisse von diesen Machenschaften oder Ermittlungen eingeleitet habe, will die Abgeordnete Feleknas Uca nun vom türkischen Innenministerium wissen. Eine Antwort steht noch aus.

Die kurdische Journalistin Nurcan Baysal vom türkischen Internetportal T24 war bereits im Januar vorigen Jahres in das yezidische Dorf Baadre in der Nähe der IS-Hochburg Mossul im Nordirak gereist und hatte mit aus der Gewalt des IS freigekauften Frauen und ihren Familien gesprochen. Das Dorf war im Sommer 2014 vom IS überrannt worden, Frauen und Kinder wurden verschleppt, viele Männer getötet. Einigen gelang die Flucht. Anfang dieses Jahres konnten einige Familien zurückkehren. Baysal gelang es, mit einer Familie zu sprechen, die große Verluste zu beklagen hat. 27 Verwandte gelten als vermisst, ob sie noch leben oder in Gefangenschaft der Jihadisten geraten sind, konnte nicht verifiziert werden. Nur noch ein Mann aus dem einst zahlreichen Clan ist dem Massaker entkommen. Seine 18jährige Schwester I. gehörte zu den Verschleppten aus dem Dorf Baadre. Sie wurde nach Raqqa transportiert und dort mit einer Gruppe anderer Mädchen bei einer den Jihadisten ergebenen arabischen Familie untergebracht. Das Mädchen berichtet wie so viele andere Überlebende von Massenvergewaltigungen und Sklavenhandel.
In Raqqa, Mossul und anderen syrischen und irakischen Städten werden die Frauen auf Märkten verkauft. Je nach Alter und Schönheit schwankt der Preis. Die Yezidinnen sind wegen ihrer oft hellen Haut, Augen und Haare eine beliebte Beute im Sexsklavenhandel. Ein Verwandter der entführten I. konnte Kontakt zu den Sklavenhändlern aufnehmen. Wollen Yeziden Verwandte zurückkaufen, müssen sie ein Vielfaches des Sklavenmarktpreises bezahlen. Das macht die Frauen zu einem Spekulationsobjekt. Für I. waren 1 500 Dollar bezahlt worden, die Familie kaufte sie für 7 500 Dollar zurück. Der Händler sagte den Verwandten, das sei ein normales Geschäft. Auch Nurcan Baysal berichtete bereits über eine direkte Verbindung zwischen dem Sklavenhandel und den illegalen Grenzübertritten zwischen der Türkei und Syrien. I. wurde nämlich nicht in Syrien, sondern im türkischen Vıranşehir in der Provinz Urfa nahe der syrischen Grenze ihren Verwandten übergeben. Sie berichtete der Journalistin, dass sie zusammen mit sechs anderen Mädchen von ihren Peinigern über die Grenze in die Türkei gebracht worden sei. Dort sei keine Passkontrolle erfolgt. Angesichts der angespannten Lage und der angeblich strengeren Grenzkontrollen ein unfassbarer Umstand. Bislang hat der Skandal außer einigen Medienberichten und der Anfrage Ucas weder innen- noch außenpolitische Folgen für die Türkei gehabt.

Die Allianz gegen den Terror hat, so gaben es US-amerikanische Militärbehörden gegenüber den Angehörigen des ermordeten Journalisten James Foley an, durchaus schon Rettungsaktionen auf syrischem und irakischem Territorium vorgenommen. Die vielen verschleppten Frauen haben international aber offensichtlich keine ausreichende Lobby, um Maßnahmen zu ihrer Befreiung zu veranlassen. Der UN-Sicherheitsrat beschloss unlängst auf russische und US-amerikanische Initiative, die Finanzquellen des IS in den Nachbarländern müssten näher untersucht werden.