Der Jahrestag der Gründung der Republika Srpska

Feiern nur mit Serben

Am 9. Januar feierte die Republika Srpska ihre Unabhängigkeit. Die Kriegsverbrechen, auf denen der serbische Teilstaat in Bosnien und Herzegowina gründet, ­wurden nicht thematisiert.

Läuft man durch die 200 000 Einwohner zählende Stadt Banja Luka, passiert man die Christ-Erlöser-Kathedrale, die im Zweiten Weltkrieg zerstört und von 1993 bis 2004 wiederaufgebaut wurde. 15 Gehminuten entfernt liegt das römische Kastell am Fluss Vrbas in Nachbarschaft zur Ferhadija-Moschee, die im von 1992 bis 1995 währenden Bosnien-Krieg zerstört und bis 2014 wiederaufgebaut wurde. Zwischen diesen beiden Gotteshäusern befindet sich das Regierungsviertel Banja Lukas. Dort weht die rot-blau-weiße Fahne der Republika Srpska, die blau-gelbe Flagge Bosniens und Herzegowinas mit den weißen Sternen findet man nirgends, und auch während des Spaziergangs zu sehende Landkarten zeigen nur die Umrisse der Republika Srpska, nie die des Gesamtstaats Bosnien und Herzegowina. Die Republika Srpska wurde am 9. Januar 1992 ausgerufen. Mit der Unterzeichnung des Friedensabkommens von Dayton wurde die serbische Entität am 14. Dezember 1995 in ihren heutigen Grenzen anerkannt. Der Staat im Staate macht 49 Prozent des Territoriums Bosnien und Herzegowinas aus, dort leben rund 1,3 Millionen der 3,8 Millionen Einwohner des Landes.
Wer mit dem Bus von Belgrad nach Banja Luka fahren will, muss bei der Fahrkartenbuchung auf Republika Srpska klicken, nicht auf Bosnien und Herzegowina. Die serbischen Busunternehmen haben die Unabhängigkeit des Teilstaats offenbar bereits anerkannt. In den vergangenen Monaten gab es Konflikte um den »Tag der Republik« am 9. Januar. Das Verfassungsgericht des Gesamtstaats wollte die Feierlichkeiten verbieten, weil sich nur Serben, nicht aber Bosniaken und Kroaten mit dem Tag identifizieren könnten. Angeregt hatten das Verfahren bosniakische Po­litiker. Innerhalb von sechs Monaten müsse ein neues Datum gefunden werden, urteilte das Gericht. Das führte zu großem Unmut bei der serbischen Bevölkerung. Viele fühlten sich durch die Weisungen aus Sarajevo bevormundet, von den Institutionen eines Staats, dessen Existenz den meisten ein Ärgernis ist.

Die Feierlichkeiten fanden trotz der Gerichtsentscheidung statt. Prominenter Gast war Aleksandar Vučić, der Ministerpräsident Serbiens. Seine Teilnahme brachte ihm den Vorwurf ein, das Urteil des Verfassungsgerichts und die territoriale Integrität Bosniens und Herzegowinas nicht anzuerkennen. Auf diese Vorwürfe reagierte er in einem Interview mit Radio Free Europe: »Serbien respektiert Bosnien und Herzegowina und wünscht die besten Beziehungen.« Doch fuhr er fort: »Wir haben keine Sekunde daran gedacht, die territoriale Integrität Bosniens anzugreifen. Wenn wir das wollten, hätten wir es längst machen können.«
Ohne die militärische Unterstützung aus Serbien im Bosnien-Krieg würde es die Republika Srpska heute in dieser Form nicht geben. Die serbische Bevölkerungsmehrheit im Teilstaat ist das Ergebnis von Vertreibungen und Massakern. Das blieb bei den Feierlichkeiten natürlich unerwähnt. Im serbischen Onlinemedium Peščanik fragte der Journalist Nemanja Stjepanović deshalb: »Was feiern wir heute?« Er führt aus: »Wenn es die Wahrheit ist, dass wir nicht die Verbrechen, die ethnischen Säuberungen und eine Republika Srpska ohne Nicht-Serben innerhalb der Grenzen eines ausgedachten Großserbien feiern, dann wäre es an der Zeit, das diesmal und jedes weitere Jahr klar auszusprechen, wenn der Jahrestag der serbischen Entität in Bosnien und Herzegowina gefeiert wird.«

Der Präsident der Republika Srpska, Milorad Dodik, sagte der Zeitung Srpski Glas: »Die Serben wären ohne die Republika Srpska nicht 20 Jahre lang hier geblieben, weil sie Bosnien und Herzegowina nicht anerkennen.« Bosnien und Herze­gowina sei »kein Staat«. Anfang Januar sagte er der Zeitung Sputnik: »Die Republika Srpska ist weder das Resultat des Krieges noch eines Genozids, wie aus Sarajevo immer behauptet wird.« Er selbst versucht, sich an der Macht zu halten, indem er in regelmäßigen Abständen vor Bedrohungen für die serbische Bevölkerung warnt, vor denen nur er sie retten könne. Aber auch führende bosniakische Politiker verweisen gegenüber ihrer Klientel gerne auf die bösen Serben, die die territoriale Integrität Bosniens und Herzegowinas in Frage stellen würden. Die gegenseitigen Schuldzuweisungen bilden neben der weit verbreitenden Vetternwirtschaft die Grundlage für den Machterhalt der ethnonationalistischen Parteien in Bosnien und Herzegowina.

Dem Friedensvertrag von Dayton zufolge sollte sich die Republika Srpska in den Gesamtstaat eingliedern und Vertriebenen eine Rückkehr ermöglichen, doch die Regierung der Republika Srpska lehnt beide Punkte ab. Die bosnischen Serben sehen sich als die großen Verlierer des Kriegs und behaupten, sie hätten am meisten unter ihm zu leiden gehabt. Die Selbstinsze­nierung als die eigentlichen Opfer des Bosnien-Kriegs geht damit einher, dass die serbischen Verbrechen geleugnet oder relativiert werden. So wird beispielsweise oft anerkannt, dass das Massaker von Srebrenica schlimm gewesen sei, aber bestritten, dass damals 8 000 Menschen ermordet wurden. »Wir wollten in Jugoslawien weiter­leben, die haben den Krieg angefangen«, hört man immer wieder.
Am 9. Januar wurde der Soldaten der Armee der Republika Srpska gedacht, nicht ihrer Opfer. Die meisten bosnischen Serbinnen und Serben in der Republika Srpska wünschen keine stärkere Integration in den Gesamtstaat. Gäbe es ein Referendum über die Unabhängigkeit des Landesteils, würde der Großteil der Bevölkerung zustimmen.