Luxemburg-Liebknecht-Demonstration in Berlin

Rosa ist super, der Rest Quark

Am Wochenende vereinigten sich in Berlin mal wieder die Stalinisten aller Länder im Gedenken an Luxemburg und Liebknecht.

Der Januar ist kein schöner Monat für Rosa Luxemburg. Zum einen, weil sie und Karl Liebknecht am 15. Januar 1919 von Angehörigen eines rechten Freikorps erschossen wurden. Zum anderen, weil jedes Jahr im Januar in einer Art daran erinnert wird, die schaudern lässt. Zu ihrem Glück muss die Mitbegründerin der Kommunistischen Partei Deutschlands nicht mehr miterleben, in welcher Form Zehntausende Linke jedes Jahr zum Sozialistenfriedhof in Berlin-Friedrichsfelde pilgern, um der Ermordeten zu gedenken. Die Luxemburg-Liebknecht-Demonstration marschierte auch in diesem Jahr unter Flaggen der DDR, Nordkoreas, Syriens, Russlands und Palästinas sowie Bannern mit Konterfeis von Mao und Stalin zur Gedenkstätte. Tradition ist Tradition. Jede revolutionäre Splittergruppe mit Bewusstsein für Jahrestage war bei dem 15 000-Personen-Happening dabei und bewarb mal marktschreierisch, mal mit Flugblättern ihre je eigene Fassung des Sozialismus. Auf dem Weg zur Gedenkstätte (und dem sozialistischen Jahrmarkt mit Bratwurst und revolutionären T-Shirts) konnte der geneigte Trauernde den Revolutionsbedarf der Stunde erwerben: Nelken für ein Euro das Stück. Das wirkte, bei aller sozialistischen Folklore, dann doch recht bürgerlich.
Nicht nur der Gedenkzirkus rund um die Liebknecht-Luxemburg-Lenin-Stalin-Mao-Trotzki-Ho-Chi-Minh-Pol-Pot-Hoxha-Thälmann-Honecker-Ulbricht-Öcalan-Demo sollte an Luxemburg erinnern, sondern auch die nach ihr benannte 21. Rosa-Luxemburg-Konferenz der Jungen Welt. Mit auf dem Programm: ein Videochat mit Aleksej Markow. Der ist in der Ost-Ukraine Kommandeur der russischen Brigade »Prisrak«, der Kriegsverbrechen vorgeworfen werden. Selbtredend warb der Milizführer, dessen Brigade es zwar nicht bis Kiew, dafür aber auf die Sanktionsliste der EU geschafft hat, für den bewaffneten Kampf in der Ukraine. Der Saal applaudierte und der Übersetzer, ein Kommunalpolitiker der Linkspartei, forderte die Unterstützung der Brigade. Sahra Wagenknecht, die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, fand bei ihrer späteren Rede auf der Konferenz nicht eine kritische Silbe zur Kooperation mit dem Warlord.
Doch wer könnte das alljährliche Heckmeck der Stalinisten, Steinzeitkommunisten und Antiimperialisten besser kommentieren als Luxemburg selbst? Bereits im Jahr 1905 notierte sie, als hätte sie den Zirkus vorausgesehen, äußerst treffend: »Wenn die Ehrung des Andenkens der Gehenkten zu einem gedankenlosen und marktschreierischen Sport wird, wenn sie zu einer gewöhnlichen Reklame eben für das Geschäft einer bestimmten politischen Gruppe erniedrigt worden ist, ja wenn für diese niedrigen Absichten die eigenen Ideen und die eigenen Taten der Anhänger des ›Proletariat‹, für die sie ins Martyrium gegangen sind, vor dem Antlitz der öffentlichen Meinung rücksichtslos zerstört und verfälscht werden, dann ist es die einfachste Pflicht derjenigen, die dem Geiste ihrer Prinzipien nach in erster Linie die Erben der revolutionären Traditionen des ›Proletariat‹ sind, laut zu protestieren.« Man sei kein »Anhänger dieses regelmäßigen, alljährlichen Feierns der revolutionären Gedenktage, das schon durch seine mechanische Regelmäßigkeit zu einer alltäglichen und, wie alles Gewöhnungsmäßige, in einem gewissen Maße zu einer banalen Sache wird.« Belassen wir es dabei: Rosa Luxemburg ist super, alle anderen sind Quark.