Linke Reaktionen auf die Kölner Angriffe

Stärke zeigen

Die Reaktionen auf die Silvesternacht von Köln offenbaren den Wunsch nach Autorität und zeigen, wie schwer sich linke Politik noch immer mit dem Thema Sexismus tut.

Es mag am kollektiven Neujahrskater gelegen haben, aber die linken Reaktionen auf die Geschehnisse am Kölner Hauptbahnhof in der Silvesternacht waren vor allem eines: spät dran. Während lokale Medien das Thema bereits am Neujahrstag aufgriffen, herrschte von linker Seite lange Zeit Funkstille. Erst als bereits alle namhaften bundesweiten Medien sich des Themas angenommen hatten, begann es auch im linken digitalen Blätterwald zu rauschen. Die erste Reaktion vieler Linker war, wie die der meisten anderen auch, eine Mischung aus Schockstarre und Unwohlsein, auch wenn sich die wahren Ausmaße dessen, was sich zugetragen hatte, gerade erst abzuzeichnen begannen. Bald darauf jedoch wurden die Betrachtungen differenzierter und auch engagierter.
Bei den Reaktionen und Analysen lassen sich unterschiedliche Standpunkte erkennen, die jedoch fast alle eines gemein haben: Im Mittelpunkt stehen nicht die Betroffenen, sondern die Täter. Die simple Feststellung aber, dass alle Vergewaltiger Arschlöcher sind und das immer und überall, sucht man nahezu vergebens. Stattdessen wurde erst einmal die Frage debattiert, was davon zu halten sei, dass die Täter offensichtlich zu einem Gutteil Migranten oder Menschen mit muslimischem Hintergrund waren.
Vor allem von männlichen Antideutschen wurde und wird in sozialen Netzwerken wiederholt auf vermeintliche oder tatsächliche Sexismen muslimischer Männer hingewiesen und sich dann gegenseitig in Form von Likes und Shares auf die digitalen Schultern geklopft. Dass diese Wortmeldungen dann oft kaum anders klingen als die von Kristina Schröder oder Alice Schwarzer, deren Beitrag zum Thema ebenfalls fleißig geteilt wurde, macht sie nicht gerade besser. So oder so bleibt der Beigeschmack, dass hier weiße, europäische Männer im Grunde wenig anderes tun, als sich gegenseitig zu versichern, sie seien viel fortschrittlicher und frauenfreundlicher als die zu einem monolithischen Block zusammengeschmolzenen Männer muslimischen Glaubens.

Auch auf antifaschistischer und bewegungslinker Seite scheint die tatsächliche oder vermeintliche Herkunft der Täter vielfach für wichtiger erachtet zu werden als die sexualisierte Gewalt, die den Frauen widerfahren ist. Nahezu keine Stellungnahme kommt ohne den Hinweis aus, es dürfe nicht zum Thema gemacht werden, welchen Hintergrund die Täter möglicherweise haben, denn erstens sei das rassistisch und zweitens spiele es rassistischen Gruppen wie Pegida NRW in die Hände. Nur selten wirklich thematisiert wird hingegen das, was alle Täter eigentlich viel offensichtlicher gemeinsam haben: Es waren Männer, von denen die Gewalt ausging.
Teilweise schwingt in den Beiträgen sogar der zumindest latente Vorwurf mit, die Betroffenen selbst hätten rassistisch gehandelt, indem sie die Täter als »arabisch« oder »nordafrikanisch« beschrieben haben. Auch wenn richtig ist, dass wohl viele Menschen hierzulande – zumal in einer Extremsituation – wirklich nicht zwischen Menschen aus Algerien, Portugal oder dem Oman unterscheiden können, liegt das Problem doch wohl weniger bei den Betroffenen als bei den Behörden, die mit diesen ethnisierenden Täterbeschreibungen an die Öffentlichkeit gegangen sind.
Umgekehrt wird – wie in bürgerlichen Medien auch – nur selten die Frage aufgeworfen, wer denn eigentlich die Betroffenen waren. Waren es nur weiße, deutsche Frauen oder hatte vielleicht sogar ein größerer Teil selbst einen wie auch immer gearteten Migrationshintergrund? Bei allem Recht der Betroffenen auf Anonymität erscheint es doch verwunderlich, dass selbst viele Linke die vorherrschende und immer unterschwellig mitschwingende Lesart der Ereignisse nicht wirklich in Frage stellen, nach der es im Wesentlichen weiße Frauen waren, die dort attackiert worden sind.

Interessante Beiträge kamen dagegen von lokalen Kölner Antifagruppen. So schreibt etwa die Gruppe »Antifa AK Cologne«, es sei falsch, »Gewalt gegen Frauen als ein (muslimisches) Importprodukt« zu betrachten, und weist darauf hin, dass es auch ohne den vermeintlichen Import schon Sexismus und Misogynie genug in der deutschen Gesellschaft gebe. Stark verharmlosend ist es hingegen, wenn die Gruppe die Geschehnisse mit einem »Freitagabend auf den Kölner Ringen« vergleicht.
Die Antifaschistische Koordination Köln und Umland (AKKU) hingegen kritisiert, dass in den Medien eine »Verschiebung der Problemlage« stattgefunden habe, die »weg von Sexismus und rape culture hin zu einer rassistisch aufgeladenen Debatte« führt. Auch richtig ist die Kritik der Gruppe an den wiederholten Rufen nach noch mehr Polizei.
Ein Statement der Antifaschistischen Initiative Köln positioniert sich explizit »gegen Männergewalt« und ist damit eine der wenigen Wortmeldungen, die das Problem benennen: Es »sind nicht die Frauen, es sind die Männer! Auch weiße Männer!«
Statt also lediglich auf den gesamtgesellschaftlichen Rassismus, der sich nun wieder äußert, zu reagieren, sollte der kurze Moment der Aufmerksamkeit, den die Geschehnisse von Köln dem Thema sexualisierte Gewalt verschafft haben, genutzt werden, um dort anzusetzen, wo vor zwei Jahren die Aufschrei-Debatte viel zu früh wieder verebbte. Das, was in Köln an Silvester passiert ist, war ein krasser Höhepunkt. Wenn in Zukunft jedoch nur Höhepunkte wie diese verhindert würden und es ansonsten so weiterginge wie bisher, wäre damit unterm Strich wenig gewonnen.