Wolfgang Schäuble verkündet einen Haushaltsüberschuss

Generation »Schwarze Null«

Wolfgang Schäuble hat einen Haushaltsüberschuss von zwölf Milliarden Euro vermeldet. Was den deutschen Finanzminister freut, ist bedrohlich für andere EU-Staaten.

Sie sei ein »Meilenstein« und eine »Zeitenwende«, ein Ereignis, das gar nicht genug gewürdigt werden könne. Kaum ein Superlativ war den Politikern der Regierungskoalition gut genug, als Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zum ersten Mal die »schwarze Null« verkündete. Der Verzicht auf neue Schulden, lobte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im September 2014, sei schließlich »der beste Beitrag zur Generationengerechtigkeit, den wir für die Jungen, die Kinder und Enkel leisten können«. Auch für dieses Jahr will Schäuble dieses Ziel wieder erreichen. Für das vergangene meldete er nicht nur eine »schwarze Null«, sondern sogar einen Überschuss von zwölf Milliarden Euro.
Einen Haushalt ohne neue Schulden aufzustellen, kommt in Europa einem Wunder gleich, in einer Zeit, in der etliche Staaten angesichts überbordender Schulden zu kollabieren drohen. Möglich wurde Schäubles »schwarze Null« durch viele Umstände, die sich zu seinen Gunsten entwickelt haben. Die Arbeitslosenquote geht in Deutschland seit einigen Jahren ebenso kontinuierlich zurück, wie die Zahl der Erwerbstätigen steigt. Die Steuereinnahmen nehmen zu, während die Zinsen für deutsche Staatsanleihen sinken.
Etwa 120 Milliarden Euro sparte die Regierung nach Berechnungen der Bundesbank von 2007 bis 2014 aufgrund der abnehmenden Zinsbelastung. Wesentliche Gründe dafür sind die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und die Flucht von Anlegern in vermeintlich sichere deutsche Staatsanleihen. So erfreulich diese Entwicklung aus der Sicht eines deutschen Finanzministers sein mag, so bedrückend erweist sie sich aus der Perspektive fast aller anderen EU-Staaten. Denn die »schwarze Null« gibt es nur, weil dort alle wichtigen wirtschaftlichen Indikatoren in die entgegengesetzte Richtung weisen.
Die Flucht in deutsche Staatsanleihen setzte mit der Schuldenkrise in den südeuropäischen Eurostaaten ein. Weil nicht klar ist, ob die betroffenen Volkswirtschaften die auferlegten Sparprogramme bewältigen werden, wird seitdem massenhaft Kapital vom Süden in den Norden transferiert. Zugleich überschwemmte die EZB die Finanzmärkte mit billigem Geld und sorgte so dafür, dass der Eurokurs niedrig blieb – ein Umstand, von dem vor allem Deutschland als größter Exporteur Europas profitierte. Die »schwarze Null« ist so gesehen weniger ein Beweis für die gelungene Politik Schäubles als vielmehr ein Indikator dafür, dass Europa langsam auseinanderfällt. Je schlechter es um die Schuldenländer bestellt ist, desto besser gestaltet sich die deutsche Haushaltslage.
Dass Schäuble seine Politik auch im Inland konsequent fortsetzt, macht die Sache nicht besser. Anstatt in Schulen, Kitas, Klimaschutz, Wohnungsbau und Straßen zu investieren, wird gerade genug ausgegeben, um den schlechten Status quo aufrechtzuerhalten. Die zusätzlichen Kosten wegen steigender Flüchtlingszahlen könnten Schäubles Vorhaben in diesem Jahr zwar noch scheitern lassen. Die Folgen seiner »schwarzen Null« sind aber bereits jetzt fatal. Den Preis dafür werden tatsächlich »die Jungen, die Kinder und die Enkel« zahlen müssen.