Berliner Unternehmen bekämpfen Gewerkschaften und Betriebsräte

Gewerkschafter raus!

Bei dem Berliner Onlineshop »Konsolenkost« hat der Kampf für einen unabhängigen Betriebsrat offenbar mehrere Angestellte den Job gekostet. Auch anderswo versuchen Unternehmen mit aller Macht, Gewerkschaften aus ihren Betrieben herauszuhalten. Gegen diese Entwicklung regt sich Widerstand.

»Wir wollten schlicht und einfach dazu beitragen, dass die Belegschaft in Fragen der Arbeitsorganisation, der Arbeitszeit und des Arbeitsschutzes mitbestimmen kann, wie es der Gesetzgeber vorsieht.« Das sagt Patrick Neuhaus im Gespräch mit der Jungle World. Er hat fast zweieinhalb Jahre bei dem Berliner Unternehmen Konsolenkost gearbeitet, das mit Spielkonsolen und dazugehörigen Games handelt. Mittlerweile sind Neuhaus und mehrere seiner ehemaligen Kollegen erwerbslos. Ihnen wurde in den vergangenen Wochen gekündigt. Unter den Entlassenen sind auch sechs von sieben Kollegen, die als Wahlvorstand bei einer Betriebsratswahl fungiert hatten. Der Wahlvorstand wurde am 21. Oktober bei einer Betriebsratsversammlung eingesetzt, in Anwesenheit des zuständigen Verdi-Gewerkschaftssekretärs Sebastian Triebel. Doch ein Betriebsrat wurde bis heute nicht gewählt.

Es dürfte unwahrscheinlich sein, dass es in dem Betrieb in absehbarer Zeit eine unabhängige Arbeitnehmervertretung geben wird. Dafür wurde ein »Vertrauensrat« eingerichtet, der für Harmonie im Betrieb sorgen und die Gewerkschaft draußen halten soll. Doch nach Angaben der Mitarbeiter hat die Mitbestimmungsinitiative das Klima im Betrieb extrem verschlechtert. Die Arbeitszeit der in dem Betrieb beschäftigten Werkstudenten sei gesenkt worden. Mündliche Absprachen über die Arbeitszeiten seien widerrufen worden, berichten ehemalige Mitarbeiter von Konsolenkost, die nicht namentlich genannt werden wollen. Eine Woche nach der Betriebsversammlung seien die Arbeitsrechner von zwei Mitgliedern des Wahlvorstands im laufenden Betrieb abgebaut und entfernt worden.
Auch die Umgangsformen im Betrieb seien restriktiver geworden. Vor der Einsetzung des Wahlvorstands habe ein lockerer Umgangston in dem Unternehmen geherrscht. Privatgespräche seien kein Problem gewesen. Doch nach der Betriebsversammlung habe sich das geändert. Zunächst seien die Mitarbeiter von der Geschäftsführung aufgefordert worden, die Privatgespräche zu minimieren. Mittlerweile seien sie während der Arbeitszeit untersagt. Es habe gegen Mitarbeiter Abmahnungen gegeben, weil sie gegen die Anweisung verstoßen haben sollen. Neuhaus’ Kündigung wurde nach dessen Angaben auch mit Verweis auf seine mehr als zehn Jahre zurückliegenden politischen Aktivitäten in der außerparlamentarischen und ökologischen Bewegung begründet. Schon zuvor seien bei Konsolenkost Gerüchte über einen der Initiatoren der Betriebsratsinitiative gestreut worden. Verdi-Sekretär Triebel bestätigte der Jungle World die Versuche engagierter Mitarbeiter, in dem Unternehmen einen Betriebsrat zu gründen. Wegen laufender Verfahren will er sich zu den weiteren Vorwürfen gegen das Unternehmen derzeit nicht äußern.

Die Auseinandersetzungen bei Konsolenkost sind charakteristisch für eine relativ neue Entwicklung. Jahrelang wurden die DGB-Gewerkschaften, jenseits des Geplänkels im Tarifkampf, von den Unternehmen durchaus geschätzt – als Garanten des Betriebsfriedens. Schließlich galt nach dem Abschluss eines Tarifvertrags die Friedenspflicht. Mittlerweile müssen viele DGB-Gewerkschaften die für sie ungewohnte Erfahrung machen, dass sie als Tarifpartner kaum noch gefragt sind. Selbst Betriebsräte, die von Anfang an betonen, dass sie konstruktiv mitgestalten wollen, werden als Gegner gesehen, die es zu bekämpfen gilt.
»Auch in Deutschland gibt es mehr und mehr Fälle, in denen Gewerkschaften und Betriebsräte offensiv bekämpft werden«, erklärte Nils Böhlke, Landessprecher der »AG Betrieb und Gewerkschaft« der Linkspartei, anlässlich einer Tagung, die die Partei am 30. Januar im nordrhein-westfälischen Hamm veranstaltete. Häufig würden dabei einzelne Meinungsführer immer wieder attackiert, um sie zu isolieren und zu demoralisieren und schließlich zum Aufgeben oder zur Kündigung bringen. »So sollen sie unschädlich gemacht und gleichzeitig andere eingeschüchtert werden, damit sie nicht ebenfalls aktiv werden«, so Böhlke.
Auch engagierte Gewerkschaften können gegen die betriebsratsfeindliche Politik mancher Unternehmer wenig ausrichten. So konnte bei dem mittelständischen Verpackungshersteller Neupack in Norddeutschland auch nach acht Monaten Streik die Geschäftsführung nicht zum Abschluss eines Tarifvertrags bewegt werden. Die Eigentümerfamilie Krüger hatte von Anfang an deutlich gemacht, dass sie Betriebsräte und Gewerkschaften nicht akzeptieren will. Neupack-Geschäftsführer Lars Krüger begründete gegenüber dem NDR die harte Haltung so: »Ich glaube, da können Sie jeden Unternehmer fragen: Es ist sicherlich so, dass das Leben für einen Unternehmer relativ einfacher ist, wenn es keinen Betriebsrat gibt.«

Aktive Gewerkschaften haben es in einer solchen Umgebung schwer. Die Neupack-Geschäftsführung will den Betriebsratsvorsitzenden Murat G. auch nach dem Streikende loswerden. Die juristischen Auseinandersetzungen um die Kündigung sind noch nicht abgeschlossen. Weitere Betriebsratsmitglieder erhielten Abmahnungen. Auch das Berliner Kino Babylon ist wieder gewerkschaftsfreie Zone. 2009 kämpfte dort die Basisgewerkschaft Freie Arbeiterunion (FAU) für bessere Arbeitsbedingungen. Trotzdem haben fast alle Gewerkschaftsmitglieder das Kino verlassen. Im vergangenen Jahr hatte sich in dem Kino eine Verdi-Gruppe gebildet, die mehrere Monate für einen Tarifvertrag in den Ausstand getreten war. Ende Dezember wurde der Arbeitskampf mit der Annahme eines Sozialvertrags beendet. Alle Verdi-Mitglieder und Streikteilnehmer erklärten, dass sie kein Interesse mehr an einer Weiterbeschäftigung im Kino hätten. Die fortgesetzten antigewerkschaftlichen Aktionen des Geschäftsführers hätten eine weitere Tätigkeit in dem Kino unmöglich gemacht. Unter anderem befürchteten sie, schrittweise aus dem Betrieb gemobbt zu werden, hieß es in einer Erklärung des Berliner Verdi-Landesverbandes.
Mittlerweile hat neben den Gewerkschaften auch die außerparlamentarische Linke das Thema »Union Busting« entdeckt. So nennt sich die Methode, engagierte Gewerkschafter im Betrieb zum Gegner zu erklären und zu bekämpfen. In Köln hat die vergangenes Jahr gegründete »Aktion Arbeitsunrecht« ihren Sitz. Auch die von Günter Wallraff ins Leben gerufene »Initiative Workwatch« hat dort ihr Büro. In Berlin hat sich die Initiative »Berliner Aktion gegen Arbeitgeberunrecht« gegründet. Neben den Betrieben sind auch Anwälte, die Kündigungen juristisch vorbereiten, Ziel von Aktionen. Am Dienstag vergangener Woche protestierten 60 Gewerkschafter in Hannover gegen ein Seminar der Anwaltskanzlei Schreiner und Partner, die Unternehmen über »effektive Strategien im Umgang mit schwierigen Betriebsräten« berät. In mehreren Städten waren wegen angekündigter Kundgebungen solche Seminare abgesagt worden.