»Sicher nicht begeistert«

Die Abschaffung der Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger ist das Ziel der neuen Kampagne »Sanktionsfrei«. Im Schnitt belegen die Jobcenter jede vierte leistungsberechtigte Person einmal im Jahr mit Sanktionen. Inge Hannemann kennt das Sanktionswesen aus ihrer Zeit als Mitarbeiterin beim Jobcenter Hamburg-Altona. Öffentlich bekannt wurde sie, weil sie auf ihrem Blog kritisch über den Umgang mit Erwerbslosen berichtete. Sie ist Mitgründerin von »Sanktionsfrei« und hat mit der Jungle World gesprochen.

Das Sanktionssystem zu kippen, ist ein großes Ziel. Wie wollen Sie es erreichen?
Das ist ein großes Ziel, aber nicht zu groß. Denn nur fünf Prozent derjenigen, die mit Sanktionen belegt werden, erheben Widerspruch oder klagen. Wenn zehn Prozent der Betroffenen sich wehren würden, würde einer internen Berechnung zufolge jede weitere Sanktion die Jobcenter Geld kosten. Das greifen wir mit »Sanktionsfrei« auf. Wir wollen die Menschen motivieren, in den Widerspruch zu gehen und ihre Rechte wahrzunehmen, auch mit der Hilfe unserer kompetenten Anwälte. Denn 43 Prozent aller Klagen gegen Sanktionsbescheide sind heute schon erfolgreich. Wenn jemand tatsächlich sanktioniert wird, wollen wir die Summe ausgleichen, so dass die Leute nicht um ihre Existenz kämpfen müssen.
Könnte man also auch von einem Sanktionsfonds sprechen?
Ja, so könnte man das nennen.
Können die Jobcenter dieser Strategie etwas entgegensetzen?
Nein, sie können nicht gegensteuern. Sie müssen die Widersprüche entgegennehmen.
Zuvor müssen die uninformierten 95 Prozent der Sanktionierten erfahren, dass es »Sanktionsfrei« gibt. Wie soll das geschehen?
Wir nutzen die sozialen Netzwerke, also Twitter und Facebook. Wir haben auch eine Website. Wir informieren alle Erwerbsloseninitiativen und Sozialverbände, politische Verbündete und die Medien. Die Kampagne sollte sich also recht gut herumsprechen. Man sieht das an der Facebook-Seite. Sie hat innerhalb weniger Tage 2 700 Likes erhalten. Auf Twitter läuft es auch gut.
Sie haben selbst in einem Jobcenter gearbeitet. Gibt es Mitarbeiter, die Ihr Anliegen unterstützen?
Ja. Ich habe schon Rückmeldung erhalten von Jobcenter-Mitarbeitern, die uns auf Facebook gesehen haben. Sie haben unsere Kampagne gelobt. Was die Bundesagentur für Arbeit machen wird, davon müssen wir uns überraschen lassen. Sie wird sicher nicht begeistert sein.