Verdächtiges Tief

Es war nicht nur ein anderes Deutschland, sondern auch eine ganz andere Welt, damals, als Peter Hein von Fehlfarben in »Gottseidank nicht in England« sang: »Und wenn die Wirklichkeit dich überholt, hast du keine Freunde, nicht mal Alkohol. Du stehst in der Fremde, deine Welt stürzt ein, das ist das Ende, du bleibst allein.« Wie sehr man von der Wirklichkeit noch überholt werden sollte, konnte damals niemand ahnen – und auch nicht, wie schnell das dank des Internet gehen würde. Aber immerhin, man ist meistens dann doch nicht allein. Als am Sonntag die ersten Rosenmontagszüge wegen des Tiefs Ruzica abgesagt wurden, war dies auf Twitter zunächst Grund für eine Menge Scherze gewesen. Als Sebastian Bartoschek vom Blog Ruhrbarone fragte: »Kann es sein, dass diese Flüchtlinge das Wetter manipulieren, um so #Mainz und #Münster zu schaden? Ich stelle nur Fragen!!!«, begann umgehend eine größere Runde damit, die üblichen Sprüche der üblichen Verschwörungstheoretiker zu persiflieren. Schließlich wurde sogar der Meteorologe Jörg Kachelmann, der schon eine Menge Ärger mit Chemtrail-Gläubigen hatte, eingeschaltet, der schließlich twitterte, er werde mal »in Bilderberg« anrufen (die sogenannten Bilderberger sind fester Bestandteil praktisch jeder Verschwörungstheorie).
Der große Spaß wurde dann allerdings von der Wirklichkeit überholt, denn natürlich konnte es keinesfalls am herannahenden Sturm und den damit verbundenen Gefahren liegen, dass Rosenmontagszüge abgesagt wurden, nein, Ruzica ist im Grunde nur eine Erfindung von denen da oben, um ein neues Silvester in Köln zu verhindern, also in der Sprache derer, denen keine Trotteligkeit zu blödsinnig ist, als dass sie sie nicht glaubten: »tausendfache Massenvergewaltung« beziehungsweise Massenmorde und was nicht alles noch zu verhindern.