Immer eine Nasenlänge hinterher

Von Leo Fischer, der diese Woche klingt wie Ulf Poschardt, Chefredakteur der Tageszeitung »Die Welt«.

Liebe Freunde der Freiheit, Mediendeutschland ist im Wandel. Zahlreiche traditionelle Angebote gehen ein, während neue Medien wie Russia Today, OKCupid und Snapflix triumphieren. Es mag uns heute unvorstellbar erscheinen, doch schon in zehn Jahren wird der Durchschnittsdeutsche vielleicht nicht mehr die Welt kaufen, wenn er sich aus erster Hand über das Weltgeschehen informieren möchte. Ein Trend, der zum Teil selbstverschuldet ist. Das Vertrauen in die Presse und »Öffis« schwindet, seit wir uns entschieden haben, die Zahlen über aktuelle Asylverbrechen großflächig zu schönen. Aktuelle Umfragen zeigen: 20 Prozent der Deutschen würden sich eine Zeitung nurmehr kaufen, um damit eine andere Zeitung anzuzünden. Um dieses verlorengegangene Vertrauen zurückzugewinnen, haben sich die Welt und die Jungle World in Zusammenarbeit mit Kai Diekmanns Taz, Frauke Petrys Focus und Justus Wertmüllers Emma zu einer großen Qualitätsoffensive entschlossen, um Gastbeiträge bekannter Autoren einzuholen und sie medienübergreifend bekannter zu machen. Künftig erwarten Sie an dieser Stelle ausgewählte Top-Opinions bekannter Autoren, die wir aktuellen Hashtags hinterherhecheln lassen. Schnell geschrieben, schnell vergessen; dem Leser immer eine Nasenlänge hinterher. Denn gewisse Dinge, das wissen wir Medienmacher, muss man sich einfach leisten können – hier sind sich Welt und Jungle World gar nicht so unähnlich. Beide Blätter können es sich erlauben, immer noch auf Papier zu erscheinen. In vielen Erste-Klasse-Wagen der Deutschen Bahn liegt Die W@lt, wie sie nach dem Relaunch einstweilen heißt, in zweistelliger Auflage aus und trägt erheblich zur Qualitäts­anmutung, zum First-Class-Look bei. So können Leute, die an den Presse­fächern vorbeihasten, wichtige Überschriften gewissermaßen en passant einscannen, sie speichern und als Anregung für die spätere Internetrecherche verwenden. Wenn es uns gelingt, den Leser an dieser Stelle abzuholen, können wir ihn hier auch später wieder absetzen. Gemeinsam, nicht zusammen.
Es freut sich schon heute auf die Zeitung von morgen:
Ihr Ulf Poschardt