Was die »Human-Animal Studies« mit Totalitarismusforschung zu tun haben

Hol’s Stöckchen!

Das Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung ist offenbar auf einen Schwindel hereingefallen und demonstriert damit unfreiwillig das Elend der Geisteswissenschaften.

»Wissenschaft bezeichnet (…) ein zusammenhängendes System von Aussagen, Theorien und Verfahrensweisen, das strengen Prüfungen der Geltung unterzogen wurde und mit dem Anspruch objektiver, überpersönlicher Gültigkeit verbunden ist.« So weit zur Theorie, wie sie Wikipedia zufolge aussieht. Der reale Wissenschaftsbetrieb hingegen lässt sich besser als zusammenhängendes System von Karrierismus und Speichelleckerei bezeichnen, das, zumal in den Geisteswissenschaften, eine Sparte des ideologieproduzierenden Gewerbes darstellt. Aus Letzterem machen manche Institutionen auch gar keinen Hehl. So etwa das Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung (HAIT) in – na, wo wohl? – Dresden, das eine führende Rolle in der Durchsetzung der Extremismustheorie innehat.
Wo zwanghaft Handgranaten mit verfaulten Birnen beziehungsweise die stets in einem Atemzug genannten »beiden deutschen Diktaturen« verglichen werden (mit dem inoffiziellen Forschungsauftrag, festzustellen, dass die zweite mindestens so schlimm war wie die erste), bleiben allerhand geistige Verrenkungen nicht aus. Der Beitrag »Der deutsch-deutsche Schäferhund« einer gewissen Christiane Schulte, der im vergangenen Dezember in der Zeitschrift »Totalitarismus und Demokratie« des HAIT erschien, sticht da nicht weiter hervor.
In dem Artikel, der auf einem zuvor unter dem Dach der »Human-Animal Studies« an der TU Berlin gehaltenen Referat basiert, widmet sich die Autorin den Grenzhunden. Der erste Mauertote sei ein Westberliner Polizeihund namens Rex gewesen, erfährt man dort. Die Schäferhunde der DDR-Grenzer wiederum stammten in direkter Linie von Wachhunden der NS-Konzentrationslager Buchenwald und Sachsenhausen ab. Eine »Gewalttradition« verbinde somit »beide totalitäre Diktaturen des 20. Jahrhunderts«. Die im Referat erhobene Forderung, das geplante Denkmal für die Opfer der deutsch-deutschen Teilung zur Erinnerung an 34 vierbeinige Maueropfer um eine stählerne Hundeleine zu ergänzen, übernahm das HAIT nicht, auch die Verwendung des Begriffs »Grenzregime« in Verbindung mit der EU-Politik sah man dort nicht so gerne; sonst aber hatte man kein Problem mit der Veröffentlichung.
Bis zur vergangenen Woche, als die Gruppe »Christiane Schulte & Freund_Innen« im Online-Magazin Telepolis offenlegte, dass das tragische Schicksal von »Kommissar Rex« ebenso frei erfunden ist wie die zur deutsch-deutschen Hundegeschichte forschende Christiane Schulte und alles übrige. Warum die TU Berlin und das HAIT diesem Hoax so bereitwillig aufgesessen sind, erklärt die Gruppe in ihrem »Plädoyer gegen den akademischen Konformismus« damit, »dass der Text mit den ›Human-Animal Studies‹ das Vokabular der neuesten akademischen Mode aufgriff und gleichzeitig altbekannte Rhetorik zum ›DDR-Unrechtsstaat‹ reproduzierte«.
Dass der Köterschwindel nicht nur die notorisch bullshitanfälligen Totalitarismusspezialexperten, sondern auch den jüngsten academic turn der »Human-Animal Studies« als »Zerfallsprodukt linker Gesellschaftskritik« aufs Korn nimmt, dürfte auch in sich progressiv wähnenden akademischen Kreisen für Verärgerung sorgen. Letzlich gilt das Rezept für den universitären Erfolg, das »Schulte« gegenüber dem Neuen Deutschland verriet, aber wohl in vielen Disziplinen: »Es reichte völlig, die Textsorte zu treffen und den Unsinn ohne Lachen vorzutragen.«