Neonazis und Pegida in Bayern

Rückführung per Kugelbombe

Vier Monate nach einer Razzia gegen Neonazis in Bamberg hat das bayerische Justizministerium Details zu den Ermittlungen bekannt­gegeben. Es gab Anschlagspläne und Verbindungen der Drahtzieher zu den bayerischen Pegida-Ablegern.

Vor vier Monaten gelang der Polizei in Bayern ein aufsehenerregender Ermittlungserfolg gegen die Neonazi-Szene. Unter Leitung der Staatsanwaltschaft Bamberg durchsuchten damals 90 Polizisten in Ober- und Mittelfranken insgesamt zwölf verschiedene Objekte nachdem die Behörden zuvor eine »größere Lieferung mit illegalen pyrotechnischen Gegenständen« abgefangen hatten. Bei Razzia entdeckten die Ermittler neben elektronischen Speichermedien und Propagandamaterial auch pyrotechnische Gegenstände, eine scharfe Schusswaffe sowie Hieb-, Stoß- und Stichwaffen.
Zudem stießen die Beamten auf konkrete Anschlagspläne, die sich gegen Flüchtlingsunterkünfte und linke Einrichtungen in der oberfränkischen Universitätsstadt richteten. Auf das sogenannte Balkan-Zentrum, ein »Rückführungszentrum« für Flüchtlinge aus den Balkanstaaten ohne Aussicht auf den Asylstatus, waren sogar Attentate mit Kugelbomben geplant. Diese aus Tschechien importierten Feuerwerkskörper besitzen eine relativ hohe Sprengkraft und können bei Menschen tödliche Verletzungen verursachen. Gegen fünf Beschuldigte wurde daraufhin Haftbefehl erlassen, einer von ihnen sitzt nach wie vor in Untersuchungshaft.
Nun wurden im Landtag erstmals seit der Razzia Details zu den bisherigen Ermittlungsergebnissen bekanntgegeben. In einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Katharina Schulze, Ulrike Gote und Verena Osgyan gewährte das Justizministerium erste Einblicke in die Informationen der Behörden und in die Vorhaben der mutmaßlichen Täter.
Demnach planten die Verdächtigen zwei Angriffe. Als erstes wollten die Neonazis im Anschluss an eine Demonstration am 30. Oktober 2015 das »Café Balthasar« angreifen, einen ­bekannten linken Treffpunkt in Bamberg, der bereits in der Vergangen­heit mehrmals zum Ziel rechtsextremer Anschläge geworden war. Der Studentenclub sollte den Angaben eines Beschuldigten zufolge gestürmt und »plattgemacht« werden, dabei hätten zwei Beteiligte die Leitung des Angriffs übernehmen und weitere Personen das Lokal verwüsten sollen. Zudem sollte ein zweiter Angriff gegen das in Bamberg ansässige »Balkan-Zentrum« erfolgen. Auf den Hof der Einrichtung für Flüchtlinge aus den Balkan-Staaten sollten demzufolge »entsprechende Böller« geworfen werden, schreibt das bayerische Justizministerium in der Antwort, die der Jungle World vorliegt. Die Absicht, Menschen zu verletzen oder gar ihren Tod herbeizuführen, wurde von den Neonazis in den Vernehmungen jedoch verneint. Sie hätten lediglich »Angst und Schrecken« unter den dort lebenden Flüchtlingen bestritten wollen, gaben sie an.
Bei den Personen, gegen die im Zuge der Durchsuchung derzeit ermittelt wird, handelt es sich mehrheitlich um einschlägig bekannte Neonazis. Elf der 13 Tatverdächtigen waren der Polizei bereits vor der Razzia aus dem rechts­extremen Milieu in der Region Oberfranken bekannt. Unter anderem gehören fünf Mitglieder der Zelle dem Bamberger Ableger der Partei »Die Rechte« an und riefen wiederholt zu rassistischen Kundgebungen gegen Asylsuchende auf. Außerdem verfügen weitere Personen aus dem Umfeld dieser fünf Verdächtigen über Kontakte in die »rechtsextremistische Musik- und Konzertszene« und sind »aktuelles oder ehemaliges Mitglied einer überregionalen rechtsextremistischen Gruppierung«, wie das Justizministerium mitteilt.
Auch bei den bayerischen Pegida-Ablegern in Würzburg, Nürnberg und München waren Mitglieder der Bamberger Truppe regelmäßig präsent, manche auch in leitender Funktion. So trat einer der Beschuldigten, der Nürnberger Dan E., nicht bloß als maßgeblicher Helfer von Nügida in Erscheinung, sondern war am 12. Oktober 2015 bei einer Kundgebung von Pegida Franken in Würzburg auch als Ordner im Einsatz. Die bayerischen Behörden haben zudem Kenntnis davon, dass auch weitere Beschuldigte in den vergangenen Monaten an öffentlichen Versammlungen von Pegida teilnahmen.
Diese Kontakte zwischen Bamberger Neonazis und den Pegida-Ablegern sind für den Geschäftsführer der Nürnberger SPD, Rüdiger Löster, nicht sonderlich überraschend. Der Sozialdemokrat sitzt dem Arbeitskreis gegen rechts in seiner Partei vor und beobachtet das rechtsextreme Milieu seit Jahren, erst im Dezember erhielt er wegen seines Engagements Todesdrohungen. Er sieht die Zusammenarbeit mit den Pegida-Ablegern als ein Anzeichen für eine »Gemeinsamkeit in der Gewaltbereitschaft« unter den Demons­tranten. »Es gab bislang nahezu keine Pegida-Aktion in Nürnberg, an der nicht die Neonazis, gegen die im Rahmen der Razzia ermittelt wird, beteiligt waren«, sagt Löster. Sie alle, die selbsternannten »besorgten Bürger« und die militanten Neonazis, eine der »Hass auf Flüchtlinge«, er sei der gemeinsame Nenner.
Ähnlich sieht es Katharina Schulze, die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im bayerischen Landtag. Sie spricht angesichts der Antwort des Justizministeriums von »fließenden Übergängen zwischen Pegida, Kameradschaften und Rechtsterroristen«. Katharina Schulzefolgert daraus: »Die aufgedeckten Anschlagspläne sind beispielhaft für die aktuelle Entwicklung der rechten Szene in Bayern. Diese hat sich mit Pegida verbündet und tritt immer gewalttätiger auf.« Deshalb plädiere ihre Partei für einen »deutlich stärkeren Ermittlungsdruck gegen die rechte Szene in Bayern« und eine Überarbeitung des bayerischen Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus, um den neuen Herausforderungen angemessen begegnen zu können. Zusätzlich fordert Schulze die Staatsregierung auf, ein Verbot der Parteien »Die Rechte« und »Der III. Weg« anzustreben.
Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen die insgesamt 13 Beschuldigten dauern an. Neun Personen sehen sich zurzeit unter anderem mit Verfahren wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, vier Verdächtige mit Verfahren wegen vorsätzlicher beziehungsweise gefährlicher Körperverletzung, drei Personen mit Verfahren wegen des verbotenen Erwerbs von explosionsgefährlichen Stoffen und zwei Verdächtige mit Verfahren wegen der Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlenverbrechens konfrontiert.