Das russische Netzwerk VK wird zum Facebook für Rechtsextreme

Im russischen Exil

Seit kurzem geht ein »Löschteam« auf Facebook gegen Hasskommentare und -postings vor – sehr zum Leidwesen von Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern. Etliche von diesen haben bereits eine neue Heimat im Internet gefunden: das russische soziale Netzwerk vk.com.

Seit zwei Wochen gibt es keine neuen Beiträge mehr auf der Facebook-Seite von »Anonymous.kollektiv«. In einem Beitrag vom 30. Januar wird erklärt: »Da die deutsche Politik Facebook mittlerweile dazu zwingt, Inhalte auf Zuruf zu löschen, und tagtäglich Videos und Beiträge spurlos und ohne Angaben von Gründen von unserer Seite verschwinden, möchten wir unsere Unterstützer hiermit noch einmal eindringlich dazu aufrufen, uns ab sofort im Netzwerk VK zu folgen.« Seitdem herrscht Stille.
Die neurechten Macher von »Anonymous.kollektiv« stören sich offenbar an der gestiegenen Bereitschaft von Facebook, rechtsextreme Hasskommen­tare und -postings zu entfernen. Das soziale Netzwerk musste sich lange die Kritik gefallen lassen, nicht genügend gegen solche Äußerungen zu tun. Seit Januar gibt es nun ein »Löschteam« des Unternehmens. Es arbeitet in Berlin, die Mitarbeiterzahl bewegt sich im dreistelligen Bereich. Informationen des Spiegel zufolge sind die Mitglieder des Teams nicht direkt bei Facebook, sondern bei Arvato angestellt, einem Tochterunternehmen von Bertelsmann. Das versetzt bestimmte Kreise in Aufregung, in alarmistischer Manier werden Verschwörungstheorien ersonnen. Der rechte Kopp-Verlag behauptet, gelöscht werde »auf Zuruf von oben«. Das Magazin Compact schreibt: »Die verhetzendsten Kommentare kommen übrigens in der Regel von Agents Provo­cateurs des Systems.«
Mittlerweile wechseln von Facebooks Löschpolitik frustrierte Hasskommentatoren zum russischen sozialen Netzwerk vk.com. Wie die meisten deutschsprachigen Nutzer dort politisch ticken, sieht man daran, welche Seiten, Personen und Gruppen dort ohne Einschränkungen ihr Unwesen treiben können. Eine Gruppe namens »Deutschlands Untergang – nur über unsere Leiche« beendet ihre Selbstbeschreibung mit den Worten: »Ein donnerndes Heil euch allen!« Der Nutzer Hartwig H. fordert für Bundesjustizminister Heiko Maas: »Ab ins Arbeitslager mit diesem Verbrecher, und seinen Sohn von der Antifa, die laufend zu Mord an deutschen Frauen und deutschen Kindern aufruft, kann er gleich mitnehmen.« Das Netzwerk hat offiziell zwar Regeln, die solche Aussagen verbieten. Kommentare wie der von Hartwig H. finden sich aber fast überall auf vk.com.
Auch unverhohlene Sympathiebekundungen für den Nationalsozialismus sowie antisemitische Tiraden sind auf der Plattform frei verfügbar. So schreibt ein Nutzer auf einer VK-Seite namens »Neues Bewusstsein« in einem Beitrag vom 21. Februar, wer sich mit Hitler »verbinde«, stehe in Verbindung mit der Wahrheit. Außerdem steht in dem Beitrag, dass Juden »alles Mögliche und Unmögliche zusammenlügen, damit sich die Nichtjuden von Adolf Hitler (der Führer aller Nichtjuden) distanzieren«. Der Betreiber bekennt in einem anderen Beitrag: »Ich bin kein Antisemit, ich bin ein Anti-Jude.« Solche Formen von Antisemitismus und NS-Verherrlichung wären bei Facebook wahrscheinlich nach kurzer Zeit gelöscht worden.
Auf der Facebook-Seite mit dem Titel »Neues Bewusstsein« wurde seit einem Monat kein neuer Beitrag mehr veröffentlicht. Wie an den verfügbaren Posts zu erkennen ist, ging es dort harmloser zu als auf vk.com. Zwar wird auch dort von der »Rothschild-Presse« geredet, aber Facebook reagiert und löscht allzu deutlich rechtsextreme Beiträge, wie der Betreiber der Seite feststellen musste. In einem Beitrag vom 15. Januar schrieb »Neues Bewusstsein« beleidigt: »Facebook zensiert die Wahrheit über Adolf Hitler, die Nazis und den Nationalsozialismus. Ich wurde nun in diesem neuen Jahr bereits zwei Mal blockiert. Das erste Mal für 24 Stunden, und das zweite Mal für drei Tage. Außerdem wurden sechs Beiträge auf dieser Seite gelöscht, die mit den oben erwähnten Themen zu tun hatten.« Es sei, so schrieb der Betreiber weiter, nur noch eine Frage der Zeit, bis Facebook die Seite lösche oder sperre. Vielleicht ist dies der Grund, warum »Neues Bewusstsein« nun nicht mehr auf Facebook, sondern auf vk.com betrieben wird.
»In der rechtsextremen Szene in Deutschland gewinnt vk.com seit Jahren kontinuierlich an Bedeutung, weil man dort aktuell etwa auch offen den Nationalsozialismus verherrlichen, seine verbotenen Tattoos und seine Waffensammlung samt Opferphantasien zur Schau stellen darf«, sagt Simone Rafael der Jungle World. Sie arbeitet für die Amadeu-Antonio-Stiftung und ist Chefredakteurin bei »Netz gegen Nazis«. »Es war klar, dass sich die Rechtsextremen einen neuen Kanal suchen«, sagt sie zu den Folgen des schärferen Eingreifens von Facebook.
Auf vk.com sind vor allem die deutschsprachigen Seiten bekannter neurechter oder verschwörungstheoretischer Gruppen und Medien beliebt. In dem Netzwerk ziehen sie zwischen einigen Hundert und mehreren Tausend Nutzer an. Die Seite des Kopp-Verlags, am 12. Februar 2016 eröffnet, hat mittlerweile über 200 Follower, die Seite des Magazins Compact ungefähr 5 000. Der Spitzenreiter unter den so ausgerichteten Seiten ist auf vk.com allerdings die Seite »Anonymous.kollektiv«. Über 32 000 Follower hat sie bisher angezogen, die inzwischen inak­tive Facebook-Seite hat 1,8 Millionen Likes.
Rafael wertet es als Erfolg, dass immer mehr Rechtsextreme von Facebook zu vk.com wechseln, denn dadurch verringere sich ihre Reichweite. Das russische Portal sei schließlich, aus Deutschland betrachtet, ein Nischennetzwerk. »Immerhin sind die Betreiber von vk.com keine Neonazis, auch wenn sie bisher leider jede Art von hate speech zulassen«, so Rafael. Deswegen könne sie sich für die Zukunft eine Zusammenarbeit der Amadeu-Antonio-Stiftung mit den Betreibern vorstellen, ähnlich wie mit Facebook bei der »Initiative für Zivilcourage online«. Ihr sei aber auch bewusst, dass sich Rechtsextreme immer neue Kanäle suchen. Es werde irgendwann auch rechtsextreme soziale Netzwerke geben, denen nur noch mit Strafverfolgung begegnet werden könne. »Solange der Rechtsextremismus in den Köpfen der Menschen ist, wird es ihn auch im Internet geben«, sagt sie.