Kryptowährungen sind keine Alternative zu Scheinen und Münzen

Nur Bares ist Wahres

Bitcoin als Alternative zum Bargeld? Der Ruf der kürzlich noch so beliebten Kryptowährung beginnt zu bröckeln. Das hat viele Gründe.
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In der Debatte über eine Abschaffung des Bargeldes werden Bitcoins und andere Kryptowährungen häufig als Alternativen genannt. Die seien schließlich anonym und eigentlich sogar praktischer als Bargeld, lautet ein beliebtes Argument – schließlich lässt sich ein Bitcoin-Betrag problemlos um die Welt schicken. Doch so einfach ist das nicht.
Mit dem Bargeld teilt die Bitcoin tatsächlich einen großen Vorteil: Sie funktioniert völlig unabhängig von einer Bank. Eine Zahlung wandert elek
tronisch von einer digitalen Geldbörse, der »Bitcoin wallet«, in eine andere. Ob alles seine Richtigkeit hat, wird anhand einer Technik ermittelt, auf die alle Bitcoin-Anwender Zugriff haben: die Blockchain. Die Blockchain kann man sich wie eine Art Kontoauszug für Bitcoin-Transaktionen vorstellen. Mit ihr können digitale Informationen verifiziert werden, das System läuft dezentral und gilt als betrugssicher. Zumindest in der Theorie. In der Praxis sieht es anders aus. Alle paar Monate gibt es neue Manipulationsversuche und Hacker-Attacken auf Teile des Systems. Etliche Computerviren und Trojaner haben es darauf abgesehen, die Wallets von Anwendern zu erbeuten, und immer wieder kommt es zu Skandalen beim Tauschhandel mit Digitalwährungen.
So musste 2014 die damals größte Bitcoin-Börse, Mt.Gox, Insolvenz anmelden, wobei 750 000 Bitcoins an Kundeneinlagen und 100 000 eigene Bitcoins verloren gingen. Der Schaden für die Anleger betrug nach damaligem Kurs fast eine halbe Milliarde US-Dollar. Man kann also durchaus Bitcoins verlieren – auch wenn sie nicht bei einer Börse, sondern in der Wallet liegen: Das digitale Portemonnaie, das Bitcoin-Anwender auf ihrem Computer oder Telefon speichern, kann ebenso verloren gehen, ganz genau wie das echte, etwa wenn das Gerät gestohlen wird, auf dem es gespeichert ist, und keine Sicherheitskopie existiert.
An dieser Stelle hören die Parallelen zwischen Bitcoin und Bargeld allerdings auf, und das nicht nur, weil sich von einer Wallet Sicherheitskopien anfertigen lassen. Auch mit der viel gelobten Anonymität ist es nicht allzu weit her: Theoretisch ist es zwar möglich, Bitcoins ganz und gar anonym zu benutzen, praktisch gibt es aber zu viele Situationen, in denen der Inhaber einer Wallet offengelegt wird: zum Beispiel wenn Euro- oder Dollarbeträge über eine Börse in Bitcoin getauscht werden sollen. Selbst wenn jemand ausschließlich Bitcoin verwendete, stünde bei irgendeinem Arbeit- oder Auftraggeber der Name in den Zahlungsbelegen. Ist die Verbindung zwischen einer Person und einer Bitcoin-Adresse erst einmal hergestellt, können in der für alle offenen Blockchain sämtliche Transaktionen dieser Adresse nachgelesen werden. Anders als beim Bankgeheimnis oder beim Bargeld, wo die Anonymität quasi schon eingebaut ist, müssen die Bitcoin-Anwender selbst dafür sorgen, ihre Identität geheim zu halten.
Ein weiteres Problem ist die Akzeptanz. Zwar lässt sich vom Burger in Kreuzberg bis zum Computer von Dell immer in mit Bitcoin bezahlen, entsprechende Verkaufsstellen muss ein Kunde aber immer noch mit der Lupe suchen. Mit Bitcoins bekommt man nachts kein Bier an der Tankstelle und dem Obdachlosen an der Haltestelle lässt sich das digitale Geld auch nicht ohne weiteres zustecken. Das könnte sich natürlich fast über Nacht ändern, vor allem wenn das Bargeld tatsächlich eines Tages abgeschafft werden sollte.
Allerdings müssten sich die Nutzer erstmal einigen, welches Bitcoin sie eigentlich verwenden wollen. Seit in der Bitcoin-Community um die Größe von Datenblöcken und deren Verarbeitungsgeschwindigkeit gestritten wird, gibt es die Digitalwährung nämlich als »Bitcoin Core«, »Bitcoin XT«, »Bitcoin Classic« und »Bitcoin Unlimited«, die untereinander nicht kompatibel sind. Derzeit ist »Bitcoin Core« das eigentliche Bitcoin, das kann sich aber ändern, wenn die Mehrzahl der Bitcoin-Anwender beschließt, einen anderen Standard zu verwenden. Allerdings ist die Community am Ende auch nicht so demokratisch, wie sie von außen aussieht. Die Macht haben eine relativ kleine Handvoll »Miner« – Leute, die große Mengen an Rechenleistung bereitstellen, um neue Bitcoins zu produzieren und Transaktionen abzuwickeln.
Neue Bitcoins werden erzeugt, indem Computer immer kompliziertere Rechenaufgaben lösen. Immer wenn eine Aufgabe gelöst ist, entsteht ein Bitcoin. Diese Rechenoperationen werden in regelmäßigen Abständen immer komplizierter gemacht, was Absicht ist, damit die Geldmenge nicht inflationär steigt, indem alle ihre PCs anwerfen und minen. Mit normaler Hardware ist es heute quasi unmöglich, Bitcoins zu produzieren. Längst ist ein Markt mit Spezial-Computern für Miner entstande. Dieses Verkomplizieren setzt sich immer weiter fort, bis die Bitcoin-Produktion ganz zum erliegen kommt. Hochrechnungen gehen davon aus, dass dies bei etwa 21 Millionen Bitcoins im Jahr 2200 passieren wird.
Da sich mit dem »Schürfen« von Bitcoins immer weniger Geld verdienen lässt, steigen nach und nach die Transaktionsgebühren und übersteigen heute schon häufig die von Kreditkartenzahlungen. Der Ruf der Bitcoin als quasi kostenlose Variante bröckelt. Sollte das Bargeld tatsächlich abgeschafft werden, dürfte die Nachfrage nach Bitcoins dennoch schneller wachsen als ihre Anzahl. Es droht eine Deflation. Es sei denn, die Leute steigen auf Ersatzwährungen um. Praktischerweise stehen tatsächlich über 3 000 ähnliche Kryptowährungen bereit. Sie heißen Litecoin, Namecoin, Dogecoin, Bytecoin und Ripple. Einige ergänzen die Währung um die Möglichkeit, Verträge abzuschließen, und bieten eine Art automatisierte Notarfunktion. Allen ist gemein, dass sie nicht einmal ansatzweise das Transaktionsvolumen und die Akzeptanz von Bitcoin erreichen, es handelt sich eher um hochspekulatives Spielgeld.
Mitspielen kann allerdings sowieso nur, wer einen Computer und einen Internetzugang hat. Das ist selbst in Industrieländern nicht immer der Fall. Wenn die Abschaffung von Bargeld also unter anderem kritisiert wird, weil es selbst in Europa immer noch viele Menschen ohne Bankkonto gibt, so sind Bitcoin & Co. schon aus sozialen Gründen keine Alternative.
Kryptowährungen können aber auch deshalb kein Bargeld ersetzen, weil sie einfach keines sind. Während unter normalen ökonomischen Voraussetzungen die 100 auf dem Euroschein den gleichen Wert hat, wie die 100 auf dem Kontoauszug, lassen sich die Digitalwährungen am ehesten mit Devisen, Goldbarren oder Aktien vergleichen. Sie schwanken ständig im Wert, und das erheblich.